Am Ende gescheitert: Sancho Pansa und Don Quixote. © Marie Liebig.

 

 

 

Der Mann von La Mancha. Dale Wasserman/Mich Leigh.

Musical.          

Kurt Josef Schildknecht. Meininger Staatstheater.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 12. Oktober 2019.

 

 

Am Tag der Premiere in Meiningen (Südthüringen, Deutschland) wurden rund hundertausend Kalifornier aufgefordert, ihre Häuser rasch zu verlassen. Buschfeuer gefährdeten die Gegend. In Nordostsyrien trieb die türkische Invasion mehr als hunderttausend Menschen in die Flucht. Bei einer vermutlich terroristischen Messerattacke in Manchester wurden mindestens vier Personen verletzt.


Wenn jetzt einer käme, der die schlimme Welt einrenken würde! Diese Sehnsucht treibt die Trump-Wähler an die Urnen und die Tunberg-Jugend auf die Strassen. Und am Meininger Staats­theater wird das Erlösungsbedürfnis vom Musical bedient.


"Der Mann von la Mancha" heisst das Produkt der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, welches die bekanntesten Stationen aus Miguel de Cervantes' grossem Roman auf die Bühne zitiert: Der Kampf gegen die Windmühlen, der Ritterschlag durch einen Schankwirt, der Frauendienst zur Verherrlichung Dulcineas.


Der Musicalverfasser Dale Wasserman und der Liedkomponist Mitch Leigh führen den Helden des spanischen Romans in den Echoraum der religiösen Sehnsucht: Hinter dem Mann von La Mancha steht der Mann von Nazareth. Beide ziehen in die Welt mit dem Willen, dem Bösen den Kampf anzusagen, den Entwürdigten beizustehen und die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide scheitern. Beide werden zum Gespött. Nach ihrem Tod jedoch wird die Botschaft der Hoffnung unsterblich.


Das Autorenteam verdeutlicht die Parallele von Don Quixote und Jesus Christus dadurch, dass es die alte, vertrocknete Jungfer, in welcher der Ritter das Ideal seiner Dulcinea erblickt, um ein halbes Jahrhundert verjüngt und ihr die Züge Maria Magdalenas verleiht. In der Bibel wusch sie dem Heiland die Füsse. Im Musical bezeugt sie am Sterbebett Don Quixotes die liebevolle Humanität des Ritters/Retters allen, so Augen haben zu sehen. Dergestalt vermischt das Musical Sentimentalität mit Religiosität. Und der Erfolg gibt den Investoren recht.

 

Am Meininger Staatstheater inszeniert Kurt Josef Schildknecht den Episodenreigen geradlinig und ohne Arabesken. Er leitet die Truppe zu ehrlichem, gut lesbarem Spiel an, und seine lange Theatererfahrung manifestiert sich in der Dosierung der Intensität und an der Behandlung des Lichts.


Dass die Figuren nicht nur verschiedene Züge aufweisen, sondern einen Charakter haben könnten, zeigt der Darsteller des Manns von La Mancha. Die Erschütterung, die das Musical als Schlusseffekt in den Zuschauerherzen auslöst, ist strenggenommen Michael Jeskes Verdienst. Durch die Glaubwürdigkeit seines Spiels erhebt er die simple Mechanik des Musicals in den Bereich beseelter Menschlichkeit. 1:0 für Meiningen.

 
 
 
 
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