Belauschtes Männergespräch. © Matthias Horn.

 

 

 

The Party. Sally Potter.

Schauspiel.

Anne Lenk, Bettina Meyer. Burgtheater Wien.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 1. Oktober 2019.

 


Am braunen Marmortischchen des Café Eiles an der Josefstädter Strasse beugt sich der alte Professor ein wenig vor: "Ich fürchte, der Kušej wird das Burgtheater auch an die Wand fahren." Mit dem Wort "auch" bezeichnet er die glücklose Intendantin des Volkstheaters Anna Badora. Sie hat das Haus innert Kürze hinuntergewirtschaftet und muss auf Ende der Spielzeit gehen. Währenddessen hat der neue Burgtheater-Direktor Martin Kušej am Ring seine Fahnen hochgezogen. Über dem Eingang hängt ein Banner: "Klimanotstand ausrufen! Klimakrise anerkennen und handeln!" "Das Burgtheater-Publikum ist konservativ", erklärt der Wiener Emeritus. "Schon die Schriftwahl empfindet es als Provokation." In der Tat, der graphische Auftritt des Hauses ist gewöhnungsbedürftig. Nur Versalien. In ihrer unregelmässigen Grösse und Strichführung wirken sie wie gesprayt: Sponti-Look bei einem Bundestheater; das hat es noch nie gegeben. "Ich zweifle, ob das gut kommt", sagt der alte Professor.

 

Derart gewarnt, geht man in die zweite Produktion des neuen Intendanten. Premiere war am 21. September. Als Regisseurin wirkte Anne Lenk. Letzten Winter hat sie in Nürnberg "Die Möwe" in den Sand gesetzt. "Kann sich eine Bühne reaktionärer, humorloser und ironiefreier gebärden?", fragte damals die "Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt". Jetzt steht die Bühnenversion von Sally Potters Filmkomödie "The Party" aus dem Jahr 2017 als deutschsprachige Erstaufführung auf dem Programm. Und die Frage ist: Kommt das gut?


Das Bühnenbild sagt: Ja. Und auch der Beginn der Aufführung. Bettina Meyer stellt acht bespielbare Räume auf drei Stockwerken in den Riesenauschnitt des Burgtheaters. Die Spielorte werden rasch hintereinander angeleuchtet und nehmen wie ein Vorspann die Handlung und ihren Ausgang vorweg. Man sieht schon, dass es sich um eine realistische Kulisse handelt, so realistisch, dass auch kreischende Mixer, knallende Champagnerflaschen und zersplitternde Glasscheiben ihren Auftritt haben werden.

 

Die Frage ist nicht mehr: Kommt das gut?, sondern: Können sie's durchziehen? Und die Antwort kommt diesmal von Ensemble: Ja natürlich! Die Produktion vereinigt die alten Burgtheater-Leute Dörte Lyssewski, Peter Simonischek, Regina Fritsch, Markus Hering und Barbara Petritsch. Dazu kommen die neuen Begabten: Katharina Lorenz und Christoph Luser. Man muss sie nur machen lassen, dann kann nichts fehlgehen. Anne Lenk lässt sie machen, und nichts geht fehl.

 

So bietet das neue Burgtheater anderthalb Stunden lang vergnügliches Boulevard. Es geht wie immer um Seitensprung, Heuchelei und doppelte Moral der oberen Schichten. Der Titel des Schauspiels wurde, zu recht, nicht übersetzt. "The Party" bedeutet nämlich nicht nur eine Feier, sondern auch eine Partei. Beide Bedeutungen kommen im Stück zum Tragen. Und damit impft die Boulevardkomödie den Zuschauern Skepsis und Wachsamkeit ein, während draussen der Wahlkampf tobt. Noch drei Tage, dann werden die österreichischen Urnen geöffnet. Das neue Burgtheater aber ist heute schon zeitkritisch – in seinem verführerischsten Charme. Das macht Spass.

Manches geht schief. 

Lesbe am Naschen. 

 
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