"Prekär für alle Ausführenden." © Annette Boutellier.

 

 

 

Das Resort. Jürg Halter und Elia Rediger.

Ein Singspiel über das tragische Ende der Selbstoptimierung.                  

Konzert Theater Bern.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 5. April 2019.

 

 

Carl Maria von Weber hat es geschafft (mit seinem "Freischütz"); Johann Strauss jr. auch (mit seiner "Fledermaus"); und Ludwig van Beethoven (mit seinem "Fidelio" – allerdings erst in der dritten Fassung). Für alle anderen musikalischen Werke aber bedeutete ein schwaches Libretto den Tod. Jacques Offenbachs "Rheinnixen" gingen unter; Franz Schuberts "Fierrabras"; Daniel-François-Esprit Aubers "Fra Diavolo" – und viele, viele andere vergessene Unbekannte auch. Zum Schrott der Theatergeschichte gehört, seit der gestrigen Uraufführung in Bern, nun ebenfalls "Das Resort", ein Singspiel von Jürg Halter und Elia Rediger "über das tragische Ende der Selbstoptimierung".

 

Die zehn Instrumentalisten, die das sogenannte "Fortschritts­orchester" bilden, realisieren eine Partitur, die sich klanglich zwischen Igor Strawinskys "Histoire du Soldat", Kurt Weills "Mahagonny-Songspiel" und Benjamin Brittens "Beggar's Opera" bewegt. Also im breiten Mittelfeld. Das ist noch das Beste, was sich über den Soundteppich sagen lässt. Für Programme, die solche Töne schreiben, braucht es ja heute keine Konservatoriumsausbildung mehr: "Mit 'Ludwig3' für Microsoft Windows können Lehrer und Schüler auch ohne Vorkenntnisse unbefangen komponieren. Das Programm ist leicht zu bedienen: Wer die Idee zu einer Melodie hat, gibt sie mit wenigen Klicks mittels Maus und Tastatur ein oder mit einem angeschlossenen Keyboard. Alles Weitere erledigt 'Ludwig3' auf Wunsch selbst: Das Programm findet passende Akkorde und schreibt alle Stimmen einer Begleitung für Orchester oder kleines Ensemble. Das Ergebnis kann sofort angehört werden."

 

Auf dem Level von "Ludwig3" bewegt sich auch die Geschichte, welche Jürg Halter und Elia Rediger ausgesonnen haben. Wie bei "humanoid", der unbedarften Jugendoper, die seit kurzem ebenfalls in Vidmar 1 läuft, beginnt die Handlung mit einem Unglück. In der einen Produktion ist es ein Autounfall, in der andern ein Bergsturz. Beide  Ereignisse führen zur Erzeugung des künstlichen Menschen. Offenbar sind die Verfasser der Meinung, mit Dystopien aus der Spielkonsole liessen sich Bedeutung und Tragik hervorrufen. Doch da klemmt's: "Weil leider unser Himmel und unsere Erde so trüb und mager ist, müssen wir sie mit unsern Ideen bevölkern und ausschmücken. Deswegen philosophieren alle deutschen Dichter" (Friedrich Schiller). Und hier liegt die Katastrophe. Nicht in der Handlung.

 

Nach Erscheinen der Nachtkritik in der "Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt" meldet sich um 2:01 Uhr ein Leser: "Alle Weltprobleme verwurstet und moralisch unterlegt - ohne jede Selbstironie und Leichtfüssigkeit, ohne Stringenz und vor allem ohne Erkenntnisgewinn. Vielleicht ein Unfall. Prekär für alle Ausführenden. Gute Nacht."

 

"Ohne Stringenz ...

... und Leichtfüssigkeit.

Vielleicht ein Unfall." 

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