Der einsame Weg. Arthur Schnitzler.
Schauspiel.
Mateja Koležnik, Raimund Orfeo Voigt, Kathrin Kemp. Theater in der Josefstadt, Wien.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 20. November 2018.
Das Dreistundenstück schnurrt in neunzig Minuten ab. Für die geraffte Fassung zeichnet wieder Mateja Koležnik, wie letztes Jahr bei der "Wildente". Aber beim "einsamen Weg" geht ihr Konzept nicht auf, so gut es gedacht ist. Das schwierige Stück, das je nach Standpunkt rätselhaft ist oder problematisch, bringt lauter Menschen auf die Bühne, die voreinander ein Geheimnis haben.
Um das auszudrücken, bauen Raimund Orfeo Voigt und Kathrin Kemp ein verwirrend neuartiges System von Türen und Durchlässen. Die Dialoge finden damit im Korridor statt, also jener gemeinsamen Zone, in der man sich begegnet. - Dem Korridor entspricht die Sprache. In ihr drücken wir Eigenes mit Zeichen aus, die öffentlicher Besitz sind. Was wir sagen, ist zwar den andern zugewandt, entspricht aber nicht dem vollen, runden Bild in unserer Seele, das nur Gott sieht.
Dieser geniale bühnenbildnerische Ansatz, der – wie schon bei der "Wildente" – ins Herz der Sache trifft, hat indes fatale Auswirkungen auf den "einsamen Weg". Weil die Menschen unablässig ein und ausgehen (sie sind ja unbehaust und immer unterwegs), sprechen sie mal vor, mal hinter der Wand. Eine akustisch unmögliche Situation. Die Regisseurin weiss sich nur dadurch zu helfen, dass sie den Einsatz von Microports zulässt.
Aber das Hilfsmittel führt bloss zu einer weiteren unmöglichen Situation. Die Verstärkeranlage der Josefstadt ist für die Übertragung von Sprache nicht gemacht. Ihr Frequenzband ist zu schmal. Es produziert einen verfremdeten Ton, der an alte Röhrenradios erinnert. Sogar wenn der "effet de distanciation" angestrebt worden sein sollte, ist sein Preis – bezogen auf Schnitzlers Drama – zu hoch. Die gleichmässige Beschallung verhindert nämlich den "Wechsel der Töne" (Walther Killy). Dieses Kriterium, fürs Sprachkunstwerk ein Qualitätsmerkmal, ist für die Bühne elementar, ja unabdingbar. In der Josefstadt haben es technische Gründe ausser Kraft gesetzt. Deshalb landet die Aufführung – Konzeption hin, Konzeption her – im Abseits.
Daneben rückt die Reduktion des Spiels auf Menschen und Haltungen die Frage der Dosierung in den Brennpunkt. Und da ist an der Voraufführung, einen Tag vor der Premiere, das Ganze noch nicht genugsam abgeschmeckt. Einzelnes ist überwürzt, anderes zu fad. Es fehlt die Abrundung, es fehlt der Stil. Einen Tag vor der Premiere ist das Ensemble der Josefstadt noch kein Ensemble.
Das kann sich ja noch einspielen. Was aber bleiben wird, ist die unbefriedigende Besetzung des Malers (Ulrich Reinthaller) und des Dichters (Bernhard Schir). Hier wurde – Talent hin, Talent her – danebengegriffen. Alles, was sich mit den beiden verbindet, ist, typenbedingt, unglaubwürdig. So bestätigt die gescheite Inszenierung von Mateja Koležnik wieder einmal, das Kunst nicht von Wollen kommt. (Sonst hiesse sie "Wunst".)
Die Sprache kommt über Microports.