The Dumb Waiter. Harold Pinter.

Schauspiel.                  

Etienne Launay. Théâtre Lucernaire, Paris.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 18. Mai 2018.

 

 

Wenn man wüsste, ob es sich um Laien- oder Profischauspieler handelt, dann wüsste man, was schreiben. Einerseits steht da auf dem Programmzettel in augenmörderisch kleiner Schrift: "Production Héron Productions et Cie de la Boîte aux lettres, Coréalisation Théâtre Lucernaire"; anderseits sagt man sich: Diese Schauspieler können niemals durch ein Konservatorium gegangen sein; sie hätten die Eintrittsprüfung nicht bestanden. Also Laien. In dem Fall kann man schreiben: Nett! Gut gemacht! Meine Anerkennung! – Sind es aber Profis, kommt man, zusammen mit Dr. Johnson, zur Feststellung: "compared with excellence, nothing", und muss den Schauspielern raten: "Suchen Sie sich einen zweiten Beruf. Sie haben auf der Bühne keine Chance. Ihre Talentbasis ist zu schmal in jeder Hinsicht." Und gleichwohl spielen sie vom 28. März bis zum 20. Mai, jeden Tag von Dienstag bis Samstag, und am Sonntag um 15 Uhr.

 

Nach zwei Wochen ist die Aufführungsdauer geschrumpft; von einer Stunde fünf auf fünfundfünzig Minuten. Bei Laien würde man sagen: "Die Abende haben sich verflüssigt." Bei Profis: "Sie haben nicht die Kraft, die Pausen zu tragen." Weil aber die Kraft, die Pausen zu tragen, fehlt, hat die Regie, so ist zu vermuten, zu einer Notlösung gegriffen. Sie hat die kleine Spielfläche um eine Mittelachse gespiegelt. Jetzt hat es auf jeder Hälfte gerade mal Platz für einen Plastikhocker, eine Pritsche und eine Glühfadenbirne, die von der Decke hängt und, wenn's unheimlich werden soll, bedrohlich flackert. Auch hat Etienne Launay – so heisst der Regisseur – die Akteure des Zweipersonenstücks verdoppelt. Auf jeder Seite gibt es jetzt also einen Ben, und auch einen Gus. Die beiden Paare sind aber nie gleichzeitig auf der Bühne, sondern nach einem Prinzip, das keiner durchschaut, ist mal der eine, mal der andere Schauspieler dran. Immerhin ist die Last, Pinters frühen Einakter zu tragen, damit von zwei auf vier Schultern verteilt worden.

 

Vielleicht dachte Etienne Launay: "Ich will zeigen, dass die Handlung überall stattfinden kann, hier wie dort, und dass die Personen austauschbar sind." Doch kann dieses – nennen wir's: Konzept - nicht darüber hinwegtäuschen, dass "The Dumb Waiter" (deutscher Titel: Der stumme Diener) nur in gut ausgestatteten Theatern funktioniert, die eine naturalistische Kulisse herzustellen vermögen. Nur, wenn die Wände fest stehen und es wirkliche Türen gibt und einen echten Speiseaufzug, kann die unbestimmt wankende Situation ihr Potential entfalten. Flackerlicht und ein paar Lautsprechertöne sind nicht in der Lage, die Wirkung einer gebauten Dekoration zu ersetzen.

 

Bei gefährlichen Übungen sagte unser Turnlehrer: "Wer's nicht kann, soll's bleiben lassen." Dieser Satz gilt auch fürs Theater.

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