Cosí fan tutte. Wolfgang Amadeus Mozart.
Oper.
Nicholas Milton, Robert Borgmann. Deutsche Oper Berlin.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 8. März 2018.
Die Produktion stammt aus dem Jahr 2016. Und jetzt steht auf der Eintrittskarte und im Internet-Spielplan: "Szenisch adaptierte Version". Was das bedeutet, erfährt der Besucher durch Klicken: "Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem am 24. Dezember aufgetretenen grossen Wasserschaden auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin können wir diese Aufführung für Sie in szenisch adaptierter Version spielen – in Kostüm und Maske sowie in veränderter Dekoration bei eingeschränkter Beleuchtung. Wer diese Vorstellungsform nicht erleben möchte, erhält den Kartenpreis ersetzt."
Was ist geschehen? Am Heiligen Abend hat aus unbekannten Ursachen die Sprinkleranlage die Bühne unter Wasser gesetzt. Schadensumme voraussichtlich vier bis fünf Millionen Euro. Die ganze Bühnentechnik fiel aus. Der Eiserne Vorhang liess sich nicht mehr öffnen. Kommunikation und Beleuchtung waren lahmgelegt. Die Oper schreibt: "Wir informieren Sie selbstverständlich, ab wann unsere Vorstellungen in gewohnter Form möglich sein werden."
Bei "Cosí fan tutte" benützen zwei Drittel der Zuschauer das Recht, vom Besuch der Oper abzustehen, und statt der 1.865 Plätze sind gerade mal 600 belegt. Der Barmann in der Lobby erklärt: "Sie sehen, ich habe nichts zu tun! Das Geschäft läuft ganz schlecht."
Im Saal ist die Situation noch unerfreulicher. Zwei Kampfhusterinnen haben sich unter die spärliche Menge gesetzt, und sobald die Musik anhebt, bellen sie um die Wette die leisen Stellen nieder. Derweil knistern links und rechts die Lutschbonbontüten, und in der zwölften Reihe streckt eine Besucherin immer wieder ihr Handy in die Höhe, um die Einstellungen der szenisch adaptierten Version festzuhalten. In der Pause vom Kritiker der "Stimme" aufs Verbotene ihres Tuns angesprochen, faucht sie zurück: "Sie haben mir nichts zu sagen! Wer sind Sie eigentlich?!" Am Haupteingang aber wissen die beiden Kartenabreisser Bescheid: "Eine jüngere blonde Frau? Man hat uns gewarnt, sie könnte Schwierigkeiten machen. Sie ist im Haus bekannt."
So sind die Vorstellungsbedingungen bis zur Pause eine Tortur. Im zweiten Teil fehlen die Kampfhusterinnen und die Fotografin. Und die Lutschbonbontüten sind geleert. Aber die Produktion ist deswegen nicht besser geworden. Immer noch kämpfen Orchester und Dirigent mit aller Macht dagegen an, in die Nähe des Wiener Mozartstils zu geraten. Wenn an der Donau auf Linie geachtet wird und die Melodie unter mässigen Ausschlägen ins Forte und Piano fliessen gelassen wird, ohne dass Rhythmus und Bläsereinsätze hervorgehoben werden, so ereignet sich an der Spree unter dem Dirigenten Nicholas Milton das pure Gegenteil. Der Klang ist ruppig, die Akzente sind scharf, die Melodiebögen werden zerhackt und ums Ausschwingen betrogen. Damit entrichtet die Deutsche Oper ihren Tribut an den Zeitgeist, und die Klanggestalt von "Cosí" wird barockisiert. - Das Tragische an dieser Interpretationsweise ist, dass sie Mozart gewaltsam in einen Stil zurückdrängt, von dem er sich emanzipiert hatte. Deshalb ist ein barocker Mozart musikgeschichtlich gesehen ein Rückschritt, und die moderne Auffassung in Wirklichkeit reaktionär.
Zum Glück entzieht sich die szenische Version der Kritik. Die Rezension würde nicht freundlicher ausfallen als das Urteil über das musikalische Geschehen. Die Fragmente, die "nach einer Inszenierung und Bühne von Robert Borgmann" gezeigt werden, kombinieren ambitiöse Intellektualität mit herkömmlich-uninspirierter Personenführung. Dazu erscheinen im Hintergrund assoziative Videolandschaften zur Betonung des Traumelements. Sie sind wohl als Kontrast zu einem handfesten Kopulationsakt auf dem Souffleurkasten gedacht. So bringt auch das Szenische reaktionäre Moderne, nicht aber eine neue Sicht aufs Werk.
Die Personenführung ist herkömmlich-konventionell.