Die Perlen der Cleopatra. Oscar Straus.
Operette.
Barrie Kosky, Otto Pichler, Victoria Behr. Komische Oper Berlin.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 8. März 2018.
Als Cleopatra spielt Dagmar Manzel mit vier verschiedenen Stimmen. Wenn sie einen jungen Gesandten oder Offizier vernaschen will, greift sie zum lasziv piepsenden Register. Wenn sie ihre Katze maunzen lässt, hört man quäkenden Alt. Wenn sie sich ärgert, spricht sie in metallischem Befehlston. Und mit sich selbst verwendet sie den gemütlichen Bass der Berliner Matronen. So hat die Darstellung vier verschiedene Facetten. Aber alle kommen durch die selbe Lautsprecheranlage. Sie verengt den Ton aufs Frequenzband der Mittelwelle und mischt in alle Stimmen ein Krächzen. Wenn ein Richard Tauber im Ensemble wäre, würde man sich grün ärgern. Jetzt aber schüttelt man bloss verwundert den Kopf, dass es Berlin nicht mehr schafft, Stimmen für ein Haus zu finden, das seit seiner Erbauung 1892 weit über hundert Jahre lang ohne Verstärkung auskam. Allerdings ist, das sei zugegeben, die Akustik hochproblematisch. Das Orchester klingt, zumindest im Parkett, als wären die Instrumente aus feuchtem Karton. Das rhythmische Gerüst hört man wohl. Aber wo bleibt der Schmelz der Geigen? 1:0 für die Volksoper Wien.
Die Inszenierung von Barrie Kosky vermeidet alles, was auch nur von ferne an Regietheater erinnern könnte, und bedient widerstandslos das applausfreudige Publikum, das den Vorsatz mitgebracht hat, jeden zweiten Satz als Pointe aufzufassen, womit es beim angejahrten Werkchen der Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald nicht ganz unrecht hat; nur kommen die Witze dem Kritiker schon recht schimmelig vor. Auf diese Weise hält sich das Ganze, ohne irgendwo anzustossen, im breiten Strom der mehrheitsfähigen Operettenkonventionalität, mit schönen Beinen und Körpern im Ballett (Choreographie Otto Pichler), üppig kostümierten Choristen (Kostüme Victoria Behr) und redlich bemühten, aber ausstrahlungsarmen Solisten. Die Volksoper Wien macht's auch nicht anders. Also 1:1 in diesem Punkt.
Bei aller Trivialität der 1923 entstandenen Operette übersehen die jubelnden Zuschauer, dass "Die Perlen der Cleopatra" mit prophetischem Spürsinn Hannah Arendts "Banalität des Bösen" vorwegnehmen. Man braucht nicht an Hitlers Wolfshund zu denken, wenn man Cleopatras Katze sieht; es genügt, die antike Pharaonin mit Donald Trump und Wladimir Putin zu vergleichen, um zu merken, dass alle diese Führungsgestalten aus dem selben Holz geschnitzt sind. Und das Volk jauchzt ihnen zu wie bei der Cleopatra in der Komischen Oper Berlin. Wohlgelaunt überhören alle, dass die Königin von der Liste der zum Tod Verurteilten auch den Namen einer Frau Schmidt abliest. Da blitzt, in der Grösse einer Nadelspitze, das Grauen auf, und das Vergnügen des freudig harmlosen Publikums bekommt von da an unheimliche Züge. 1:0 für Barrie Kosky.
Üppig kostümierte Choristen.
Und redlich bemühte Solisten.