Norma. Vincenzo Bellini.
Oper.
Gianandrea Gavazzeni. Grand Théâtre de Genève.
Radio DRS-2, Reflexe, 18. Oktober 1984.
(Musik)
Auftritt von Elizabeth Connell im Genfer Grand Théâtre. Die Partie, die sie singt, gilt als eine der schwierigsten. Die zeitgenössischen Kritiker behaupteten, Bellinis Musik mache die Stimme kaputt. Diese Behauptung stimmt für die frühen Bellini-Darsteller wie Giuditta Pasta, Henriette Méric-Lalande und Antonio Tamburini.
Von Lili Lehmann, dem grossen dramatischen Koloratursopran des 19. Jahrhunderts, ist der Satz überliefert: "Es ist leichter, drei Mal Brünhilde als ein Mal Norma zu singen." Und Maria Callas hatte geschworen: "Am Tag, wo ich nicht mehr Norma singen kann, höre ich auf zu singen." Das trat 1965 ein, als die Callas im zweiten Akt vor den Schwierigkeiten der Partie kapitulieren und die Vorstellung abbrechen lassen musste.
Und jetzt, am vergangenen Donnerstag, hat eine Sängerin als Norma debütiert, die man im Auge behalten muss. Elizabeth Connell.
(Wort)
"Ich habe die Rolle seit einem Jahr vorbereitet. Zuerst allein, dann mit meinem Korrepetitor in London, und am Schluss – eine Woche mit vor den Proben – mit dem Dirigenten Gianandrea Gavazzeni. Die Rolle verlangt vor allem 103-prozentige Konzentration. Was aber Atemtechnik und Phrasierung angeht, macht eine gute Vorbereitung alles. Die Kunst liegt darin, das Schwierige leicht erscheinen zu lassen, so dass man als Zuhörer meint, Norma zu singen sei eigentlich ganz einfach."
Dass Elizabeth Connell diese Kunst beherrscht, zeigen die enthusiastischen Reaktionen der Genfer Kritiker:
(Wort)
Seit vergangenem Donnerstag gehört Elizabeth Connell zum exklusiven Kreis der Norma-Darstellerinnen. Sie verdankt diesen Durchbruch ihrem Darstellungsvermögen, ihrer Ausstrahlungskraft – und ihrer Stimme. Sie besitzt ein selten reines Pianissimo, und sie ist fähig zum grossen dramatischen Ausbruch. Die Spannweite ihrer Möglichkeiten und die Intelligenz ihrer Rollengestaltung bringt der Schluss von "Casta Diva" zum Ausdruck:
(Musik)