Manon. Jules Massenet.
Oper.
Jean-Claude Auvray, Mauro Pagano. Theater Basel.
Radio DRS-2, Reflexe, 19. Februar 1985.
Ds Operetheater kennt i der Schwyz zwe Extremtype vo Premierebsuecher. Die einte sy z Genf u die andere z Bern. Ds Publikum vom "Grand Théâtre de Genève" isch chalt, teilnahmslos u schnäderfrässig. E Leistig ma no so guet sy – a Rhone längt's nume zum ene desinteressierte, dünnen Applaus. Anders z Bern. Hie finge sich zu Operepremiere warmblüetigi, aber unkritischi Enthusiaste zäme. Sie sy nid gittig, u so wird a der Aare ou Minderwärtigs mit härzlichem Applaus übergosse. Näb dene zwöi Extrem git's i der Schwyz es dritts Publikum: das vo de Kenner. Sie fingt me am Rhein. Wenn im Stadttheater Basel en Opere zur Uffüehrig chunnt, de reagiere d Zuschauer druf mit ere subtil abgstuefte Sensibilität. Sie begleite die einzelne Leistige mit seismografischer Zueverlässigkeit. U so chöi der Jean-Claude Auvray u der Mauro Pagano als Usstatter d Ovation als Uszeichnig entgägenä, wo ne gester ar Premiere vor "Manon" isch darbotte worde. Sie hei aber ou us dere zwöitrangige Opere öppis gmacht, wo me cha aluege - gnauer gseit: wo me i üsne Tage no ma aluege, will's am hüttige Empfinde tuet standhalte. U das paradoxerwys, will der Jean-Claude Auvray ds Wärk vo üs wäggrückt het. Sys Mittel: Verlegig i d Ursprungszyt, also i ds Rokoko. Der Gwinn isch zersch emal Pracht für ds Oug. Der Rychtum a Kostüm, wo usbreitet wird, cha me fasch nid fasse. Da hei mer rychi Bürgerdame i Rüsche u Spitze, Dotzeti vo Huetforme, Sunneschirmli, Fächer, Allongeperücken, Chnote-, Stütz- und Abbéperücke, Reifröck, Herren i sydige Strümpf u Schnalleschue, u dernäbe Chinder, Bättler, Soldaten u Goukler... es isch e ganzi Kultur, e ganzi versunknigi Wält, wo d Bühni wieder ufezouberet, d Wält vom 18. Jahrhundert, wo d Revolution für immer ewägg gschwemmt het. Me luegt u me stuunet über das fremde Läbe u die vergässnige Alltagsverrichtige u Bewegige vo dene vergangene Mönsche, u mit eim Mal wird die unglaubwürdigi Gschicht vor Manon, wo ds Libretto zuesätzlich vermaslet het, nid nume glaubhaft, sondern verständlich i ihrer Frömdheit, nei: dür ihri Frömdheit. Da steyt e rychgliedereti, aristokratisch-feudali Epoche a ihrem Änd u vor ihrem Untergang, u jetz kultiviert sie ds Amüsement, ds Plaisir, ds Raffinement.
Für das härezfüehre, het sich der Jean-Claude Auvray nid gschoche, d Wuecherpflanze vo operehafter Konvention us em Libretto wägzjätte u d Vorlag so schlank wie müglich z mache. Derzue het er die historischi Realität dür d Liechtfüehrig immer wieder für ds Symbolische durchsichtig gmacht. So het me nie vergässe, wär eigentlich ds Ganze tuet zämehalten und organisiere: der Regisseur mit sym überlägnige Kunstverstand, u nid der Librettist, u nid der Komponist. Ovationen also für e Jean-Claude Auvray, wo sech ds Ganze het usdänkt, Ovationen aber ou für e Mauro Pagano, wo mit syne Hälfer d Lüt u der Bühneruum usgstattet het. Dernäbe merhstimmigi Bravorüef für e Chor. Är isch so flexibel gsy, dass er nümm als zäiflüssigi kompakti Masse i Erschynig trätten isch, sondern är het d Hauptgstalte als äbebürtige, ja sogar überlägnige Partner umspielt. D Sänger vor Manon u vom Des Grieux hei sich nämlich nid ganz i d Uffüehrig la integriere. D Manon vo der Ghilaine Raphanel isch e nätti Erschynig mit schlichte, zrügghaltende Gebärde, aber der unerhört Reiz vo dere Figur het me sich müesse dänke, will's d Sängere nid het chönnen usdrücke, das verlockende Gmisch vo eifacher Natürlichkeit, raffinierter Koketterie u dunkler Erotik. – Der Eduardo Villa als Des Grieux steyt mit syne 24 Jahr no am Afang von ere grosse Karriere, aber ou am Afang vo jeder Figuregstaltig. Aber derfür: Was für ne Stimm! Was für nes Timbre! Wenn er gsunge het, het sys Üssere ke Rolle meh gspielt, wo nid ganz zur Rolle passt. Me het syni churzi, unbeweglichi Statur überluegt, u me het sich la umschmychle u la verzoubere vo sym warme, bluestvolle Tenor. U so het me bi deren Uffüehrig afe vergässe, was für nes üsserlichs, effekthascherisches, schablonehafts Machwerk d "Manon" eigentlich isch. U me het ou fasch scho vergässe, wie schad's doch isch, dass ds Theater derfür e settigen Ufwand a Intelligenz, Personal, Geld u Usstattig ygsetzt het. Wenn die kunstsinnige Basler am Schluss frenetisch hei applaudiert, de hei sie, glauben i, zum Triumph vo der Bühni über ne mittelmässigi Vorlag klatschet.