Capriccio. Richard Strauss.

Oper.

Armin Jordan, Wolfgang Quetes, Hubert Monloup. Theater Basel.

Radio DRS-2, Reflexe, 16. April 1985.

 

 

Wo der Armin Jordan am Schluss isch uf d Bühni cho, het sech der Applaus zur Ovation gsteigeret. Zu rächt. Musikalisch cha me ar Uffüehrig chum öppis ussetze. Ds Basler Sinfonieorchester mit sym Chef het d Partitur sorgfältig, exakt, und hüfig ou beschwingt umgsetzt. "Capriccio" het ja – was d Bsetzig ageit – e Rychtum, wo i der Opereliteratur sälte vorchunnt. Afa tuet's mit em intime Klang vom ene Strychsextett:

 

(Musik)

 

De nimmt es Orchester hinter der Bühni ds Thema uf:

 

(Musik)

 

Das Thema, ds "Capriccio"-Thema, wird im Louf vor Opere immer wieder abgwandlet; es wanderet, versteckt oder offe, dür d Bäläser, dür d Strycher, dür ds Cembalo, und am Schluss nimmt's ds Orchester mit voller Bsetzig wieder uf:

 

(Musik)

 

Musikalisch gse isch d Partitur also unerhört rych. Alli Kombinatione, wo zwüschem Orchester und ere Singstimm müglich sy, rächnet der Strauss i zwoehalb Stund düre; vom gsprochnige Wort über ds einfache Rezitativ bis zum voll uskomponierten Oktett mit Orchesterbegleitig. Der Armin Jordan het dä Rychtum zämeghalte; mit eme Stab, wo bestimmt u beschwingt e ruhige Grundpuls, d Einheit hinter der Vielfalt markiert het. D Einheit: das isch äbe ds Mass. Ds Mass vom Taktstrich natürlich, ou ds Mass vom Rhythmus und... i letzter Konsequenz ds Mass vo der Zyt, wo verfliesst u drum d Mönsche immer wieder vor d Entscheidig stellt, was sie wei u wohi dass sie sech wei la trybe. Dermit me das gspürt, het der Richard Strauss sys "Konversationsstück für Musik" i eim Akt la abloufe. Vom Moment a, wo der Vorhang ufgeit, teile d Lüt uf der Bühni u d Lüt im Saal die glychi Zyt. Sie erläbe zäme, wie's vom Namittag ewägg i Abe geit, wie ds Tagesliecht abnimmt u der Mond afaht lüchte. Aber derby erläbe nume d Lüt im Saal dä zytlech Ablouf ou als musikalisches Erläbnis. Nume für sie git's en erfüllti, klingendi, ja e dürekomponierti Zyt. Will nume für d Operezueschauer d Welt es Kunstwerk isch; es gschlossnigs Ganzes, wo in sich stimmt. Das isch äbe der Unterschied zwüsche der Wirklichkeit u der Kunst.

 

Um genau dä Unterschied geit's ou im Konversationsstück vom Richard Strauss. Was chunnt derzue, wenn d Wort vertonet wärde? Der Dichter uf der Bühni meint, sys Sonett verlieri a Ghalt, we me's singt. D Musik syg öppis Frömds. Dür ihre Rhythmus schieb sie der Akzent vom Satz wägg u änderi der Sinn. Är wott sys Gedicht trochen ufsäge, so wie's gmeint isch.

 

(Ton)

 

So tönt ds Wort. Als Lied aber überchunnt's e neui Dimension:

 

(Musik)

 

Ds Sonett gwinnt a Usdruck; aber es verliert a Scherfi, a Dütlichkeit. D Opere löst das nid uf, sondern sie laht ds Dilemma zwüsche Musik u Wort la stah bis zum Schluss. U da, wo der Zuehörer d Lösig erwartet, überchunnt er d Frag mit hei: "Verliert man nicht immer, wenn man gewinnt?" Isch d Umsetzig vor Wirklichkeit in es Tonkunstwerk nid ou grad e Verlust vo dere Wirklichkeit?

 

Wenn sich ou der Regisseur Wolfgang Quetes u der Bühnebildner Hubert Monloup die Frag z Härze gno hei – i weiss es nid – de hei sie uf all Fäll nume e halbbatzigi Antwort gä, wo mi jetz no ergeret. Die Opere, wo der Strauss 1942 het usebracht, spielt im Jahr 1775. Will denn z Paris der Christoph Willibald Gluck sy Operereform düregfühert het; u da isch es um d Frag gange, wär der Vorrang heig: ds Wort oder d Musig. Genau die Frag, wo d Lüt im "Capriccio" mit den Argument vo 1775 im ene Schlössli bi Paris tüe abhandle. Aber z Basel spielt ds Ganze vor em Erste Wältchrieg. Im enen üppige Jugenstil-Interieur, wo mit de Füess scho im Kitsch inne steit. U d Froue – d Gräfin, d Schauspielerin, d Sängere – sy ufgmacht wie d femme fatale us der Stummfilmzyt. Aber wärum? Us Orignialitätssucht? Oder het me z Basel d Partitur wölle denunziere? Het der Regisseur d Musik als überladnigs Rankewärk ufgfasset u dänkt, är chönn das zeige, wenn er d Girlande, d Arabeske u Moreske ou optisch bis zum Überdruss tüeji la wuechere? We das der Fall sött sy, de het ne ds Publikum ar Premiere nid begriffe. Äs het ds Überladnige u ds Gschläckete als puri Schönheit ufgfasset u derzue härzhaft klatschet. D Provokation – wenn's eini hätt sölle sy – het also nid gwürkt. I frage mi überhaupt, ob der Regisseur wirklich Abstand vor Opere het wölle näh. Daderfür hätt er nämlich der Hebel am ene ganz anderen Ort müsse asetze. Nämlich 1942, bir Entstehigszyt vo der Opere. Will die isch verdächtig. Da komponiert eine e Partitur zur Frag, was wichtiger syg i der Opere: ds Wort oder d Musik. Und ir glyche Zyt, won er das komponiert, faht me z Buchenwald u z Auschwitz a, Millione vo Jude systematisch z ermorde. Währenddäm der Strauss syner punktierten Achtle uf d Notelinie setzt, redt der Thomas Mann us em Exil über d Wälle vo der BBC zu syne dütsche Landslüt. U der Brecht isch im Exil u schrybt "Der gute Mensch von Sezuan". U der Stefan Zweig isch im Exil u bringt sich dert, 1942, zäme mit syre Frau us Verzwyflig um, der glych Stefan Zweig, wo 1935 der Entwurf zum "Capriccio" gschriebe het. Das denunziert d Opere, u zwar gründlich. D Verlegig vom "Capriccio" uf 1910 aber, wie me's z Basel gmacht het, das isch e halbbatzigi Sach.

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