Das Monstrum.
Strassentheater.
Studententruppe aus Budapest.
Der Bund, 22. Juni 1978.
7. Festival Kleiner Bühnen Bern:
Kein Spektakelstück
Ein seltsamer Gefangener, den die beiden Soldaten während der Schlacht gemacht haben. Kein Zivilist und kein Soldat, er wälzt sich am Boden wie ein Tier und kann doch sprechen. Das Monstrum wird angeredet. Es antwortet. Die Soldaten erfahren, dass ihr Gefangener die Ursache des Krieges ist. Damit erhält ihre Wissbegierde ein Ziel: Töten, auseinandernehmen, schauen, was dahinter ist. Aber bevor sie soweit kommen, taucht ein Fremder in Gestalt eines Staatsmanns auf und beansprucht ihre Beute. Und sie, gewohnt zu gehorchen, händigen das Monstrum aus, ohne hinter sein Geheimnis gekommen zu sein.
Offensichtlich ging es der Budapester Studententruppe nicht darum, die aktuelle Gestalt des Monstrums zu bestimmen, sondern seine Sprache zu entlarven. Gefährlich ist nicht, wer dahinter steckt, sondern die Macht von Phrasen wie: der Krieg sei nötig, um Ordnung zu schaffen.
Das ist zweifellos sehr fein und tiefsinnig gedacht. Aber ist es auch schon Strassentheater? Wo die Passanten stehenbleiben, weil es etwas zu sehen gibt? Die paar Feuerwerkskörper, die die "Universitas Budapest" abbrannte, genügten nicht, um die Augenlust zu befriedigen, von der das Strassentheater lebt.
Hier sah man steife Masken, die sich langsam und gemessen bewegten, und man hörte lange Reden und Gegenreden. Die Figuren waren eingesetzt als Zeichen, als Hinweise auf tiefen Sinn, nicht aber als dramatisch eigenständige Kräfte. So fehlte es an Bewegung, an Effekten, an Äusserlichkeiten. – Gezeigt wurde kein Spektakelstück, sondern ein Parabelspiel. Bloss, man müsste ungarisch können, um die Parabel zu verstehen...