Auf Wiedersehen im März. Bernard Slade.

Komödie.                  

Urs Bürgin. Städtebundtheater Biel–Solothurn.

Bieler Tagblatt, 17. Oktober 1978.

 

 

Auf Erfolg hin getrimmt

 

Das Plakat zeigt acht Fotos: Aussenansichten eines verlassenen Motels, nachts, mit blauschimmernden Neonbuchstaben, die sich aus dem Dunkel schälen. Bild für Bild die gleiche Aufnahme. Unverändert.

 

Die Aufführung zeigt ein Zimmer dieser kalifornischen Absteige, über einen Zeitraum von 25 Jahren. Mit unverändertem Mobiliar, Szene für Szene. Das einzige, was sich ändert, ist das Paar, das sich hier trifft, jedes Jahr zur gleichen Zeit. Er heisst George, sie Doris. Er ist anfangs ein kleiner, gehemmter Buchhalter, der es zum Anlageberater für Multimillionäre bringt, um dann zu merken, dass Geld allein nicht glücklich macht. Er absolviert psychoanalytische Trainingslager, kehrt in eine bescheidenere berufliche Stellung zurück und versucht, ein sinnvolleres Leben zu führen.

 

Sie, Doris, weiss nicht so recht, wo sie eigentlich hingehört und wer sie ist, und probiert infolgedessen eines nach dem andern aus: Hausfrau, Mutter, gammelnde Studentin, Geschäftsfrau, Rentnerin.

 

Ihnen also, George und Doris, begegnen wir in Schnitten von fünf Jahren, und dabei entstehen Momentaufnahmen ihrer familiären Verhältnisse und der amerikanischen Gesellschaft.

 

Man wird sich fragen müssen, ob das trägt: Slades Einfall, zwei vollkommen durchschnittliche Menschen auf die Bühne zu stellen, mit ihren vollkommen durchschnittlichen Problemen. Und man wird feststellen, dass die Grundsituation etwas hergibt. Dann nämlich, wenn mir die beiden Menschen auf der Bühne nicht ganz egal sind und wenn ich anfange, in ihnen etwas von mir zu entdecken.

 

Noch wertvoller wäre es, wenn das Stück Einblick gäbe, wie sich Menschen entwickeln. Wenn zwar alles bereits in der ersten Szene vorhanden wäre, aber bloss im Keim; und wenn es sich dann schrittweise entfaltete, bis wir am Schluss erkennen könnten, welches der Plan war, nach dem die beiden Menschen durchs Leben gingen. Dann wäre unser Interesse weiterhin auf die beiden Personen gerichtet, aber nicht mehr aus blossem Identifikationsstreben, sondern weil an ihnen Erkenntnis möglich würde über Leben und Schicksal.

 

Trägt der Einfall? – Diese Frage scheint sich Bernard Slade, der Autor dieser "romantischen Komödie", auch gestellt zu haben. Aber er fand, dass die Figuren George und Doris zu wenig hergäben für einen ganzen Abend. Also verschärfte er die Situation. Die beiden treffen sich nun zum Ehebruch. Das gibt Gelegenheit zu pikantem Dialog, zu Gewissensbissen, zum Gespräch über Ehegatten und Kinder.

 

Und damit das Interesse an den beiden Durchschnittsmenschen wirklich nicht erlahmt, wird das Ganze mit bewährtem Komödienzauber aufgetrimmt: Geburt im Hotelzimmer; Tränen; ein Ehemann, der beinahe etwas merkt; Versöhnung. Auch dem Dialog wird das Durchschnittliche genommen, er wird auf "witzig" getrimmt. – Er: "Ich kann nicht schwimmen." Sie: "Im Ernst?" Er: "Nein, im Wasser."

 

Wir sehen, ein dramatischer Einfall wurde verheizt. Zur Boulevardkomödie. Und das bedeutet: Mitdenken bringt nichts. Der Zuschauer ist dazu verurteilt, auf die nächste Pointe zu waren. Das ist alles. Offenbar auch alles, was es für den Erfolg braucht.

 

Nun gibt es aber zwei Schauspieler, Günter Rainer und Verena Leimbacher. Die tragen das Stück. Sie leihen George und Doris ihr Gesicht, sie schöpfen aus den einzelnen Stationen der Komödie, was an Schauspielerischem drinliegt. Doch seltsam: Ich konnte nie vergessen, dass es sich um Verena Leimbacher und Günter Rainer handelt, die mir da ein Hippiegirl oder einen Manager vorspielten. Die Schauspieler waren konkret. Die Menschen aber, die sie spielten, blieben abstrakt. Doch daran dürfte das Stück nicht ganz unschuldig sein...

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