Jona. Marin Sorescu.

Monolog.

Norbert Klassen. "Das Studio am Montag" im Theater am Zytglogge, Bern.

Der Bund, 30. November 1978.

 

 

Theater der konsequenten Verweigerung

 

Im Programmheft steht zu lesen: "Jona, ein Stück von Marin Sorescu (einem Rumänen). 1. Bild: am Strand. 2. Bild: im Innern des ersten Fisches. 3. Bild: im Innern des zweiten Fisches. 4. Bild: am Strand." Doch diese Anweisungen, die den Spielort betreffen, hat das "Studio am Montag" in seiner neuesten Produktion nicht aufgenommen. Sondern Norbert Klassen, der Regisseur, lässt den fünfviertelstündigen Monolog in einem Einheitsbühnenbild spielen. Der Boden ist mit Torfmull ausgelegt: von Decken und Wänden hängen dekorative, aber unentzifferbare Objekte aus Sacktuch herab.

 

Doch so reizend das Ganze optisch wirkt, sein Zusammenhang mit dem Stück bleibt unklar. Das Bühnenbild hat sich selbständig gemacht und verzichtet darauf, die Struktur des Monologs in irgendeiner Weise aufzunehmen. Statt dreier Spielorte: einer. Statt Wasser und Strand: Torfmull. Damit erscheint das, was da ist, höchst zufällig, beliebig – aber auch ohne Evidenz. Beziehungen innerhalb des Stückes (erstes, zweites, drittes, viertes Bild) macht das Bühnenbild also nicht anschaulich. Sondern es scheint, im Gegenteil, von der Absicht geprägt, konsequent zu verweigern, was sich an Ordnungen, Zuordnungen, Strukturen herstellen liesse. – Und damit ist die ganze Inszenierung charakterisiert.

 

Wenn ich den Monolog recht begriffen habe, so werden hier Gedanken, Gefühle, Situationen umgesetzt in Bilder, die zusammen eine ganze Welt ergeben. Diese Bilderwelt scheint geordnet, sie scheint Schwerpunkte zu haben, denn Themen werden aufgenommen, variiert, durchgeführt, entwickelt. Kurz, das Ganze hat Struktur, und das macht es sinnhaltig. Und was sinnhaltig scheint, verleitet wiederum zur Enträtselung, zur gedanklichen Mitarbeit.

 

Norbert Klassens Inszenierung aber, für die ich kein besseres Wort finde als Regie der Verweigerung, geht konsequent darauf aus, Ordnung zu vernebeln, Strukturen einzuebnen. – Ordnung vernebeln: Die Person des Jona wird aufgeteilt auf zwei Sprecher, Rudolf Bopper und Janet Hauffler, ohne dass einsichtig würde, welche Gesetze die Aufteilung bestimmen und aus welchen Gründen einzelne Sätze dem einen und nicht dem andern Sprecher zugeteilt wurden. – Strukturen einebnen: Die Umsetzung dessen, was im Text geschieht, wird nicht auf die Bühne gebracht. Stattdessen sind die Bewegungen aufs Minimum reduziert. Die Sprecher verharren während eines Bildes an einem Platz. Auf Relief in Tongebung, Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke wird ebenfalls verzichtet. Mit andern Worten: Die Regie verweigert die Umsetzung von Textstruktur in szenische Struktur.

 

Was bleibt, ist für den Zuschauer somit eine unsäglich mühevolle und kaum durchführbare Arbeit: Das, was die Regie zurücknimmt und einebnet, wieder herzustellen. Und das ist riskant. Denn vom Moment an, wo in mir das Gefühl entsteht, ich schaffe es nicht, werde ich gleichgültig und unaufmerksam. Und dann bleibt der Aufführung nichts zurück als die Erinnerung an einen langweiligen Abend.

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