Clown-Theater. Franz Josef Bogner.

Gastspiel im Zähringer-Refugium, Bern.

Der Bund, 8. Februar 1979.

 

 

Höhepunkt der Theaterkunst

 

Bogners Kunst war, soweit ich es überblicke, im Grunde stets eine private, eine, die aus der gleichen Intimität und gnadenlosen Beobachtung lebt wie die Begegnung mit sich selbst im Spiegel des Badezimmers. Doch nun, im "Clown-Theater", hat er diesen privaten Raum verlassen, er lässt seine Kunst, wo sie ist, und kommt als Mensch aufs Publikum zu. Noch immer ist seine Kunst eine Kunst gegen das Publikum, gegen die Masse, gegen die Dummheit. Aber er tut so, als ob sie das nicht wäre.

 

Damit entsteht ein Zwiespalt zwischen Gebaren und Sein. Das Publikum bemerkt ihn und sucht ihn auszufüllen: Tut Bogner lustig, so fasst es ihn auf als lustigen Kerl. (Hätte es sich nicht so verhalten, hätten wir die Kraft, den Dingen ins Auge zu blicken, so wie sie sind, dann brauchte Bogner nicht mehr aufzutreten.)

 

Doch Bogner lässt solche Täuschung nicht zu. Der Abgrund zwischen lustigem Anschein und unheimlicher Wirklichkeit, den er bloss aufgedeckt und nicht etwa aufgerissen hatte, sollte als unüberbrückbar erkannt werden. Dadurch wurde Bogner zur Herausforderung. Gewohnt, Unheimliches zu überspielen, wurde ihm das Publikum nun ausgesetzt. Und was bisher als selbstverständlich und geregelt galt, brach damit als Frage wieder auf: das Spannungsfeld zwischen Kunst, Mensch, Zuschauer, Wirklichkeit.

 

Dahin hat Bogners Programm im Zähringer-Refugium geführt. Zu einem Schluss, wo nichts mehr gesichert war, wo jeder wieder ganz von vorn anfangen musste. So blieben, am Ende der Vorstellung, die Zuschauer auf ihren Plätzen sitzen. Denn im Unterschied zu den üblichen Veranstaltungen, wo die Probleme am Ende bewältigt und die Zuschauer erlöst sind, steckten sie hier mittendrin und kamen nicht davon los.

 

Und so, durch die negative Umschreibung, lässt sich für den Aussenstehenden vielleicht am ehesten begreiflich machen, was dem Zähringer-Publikum als einmaliges, unwiederholbares Ereignis in Erinnerung bleiben wird. Führen eine andere Veranstaltungen dazu, sich vor der Grösse der Kunst zu beugen, so brachte einen Bogner zum Punkt, sich gegen die Demütigung des Menschen aufzulehnen. Sagt man sonst am Schluss: Es war schön, nett, brillant usw., so fragt man hier betroffen: Warum habe ich versagt? Was ist los mit uns? – Stellt man sonst fest: Herr X. ist ein grosser Künstler, so fragt man hier: Was ist Bogner für ein Mensch?

 

Auf diese Weise erreichte Bogners "Clown-Theater" das letzte, wohin Theaterkunst führen kann. Man war gekommen, um Harmloses zu sehen, und Bogner begegnete einem mit nichts als Unheimlichkeit. Man wollte Kunst sehen und sich für zwei Stunden vergessen können, doch Bogners Kunst war jeden auf sich selbst zurück.

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