"Max und Moritz" nach Wilhelm Busch.
Kinderstück.
Achim Plato. Stadttheater Bern.
Der Bund, 4. Dezember 1979.
Das Theater zog den Kürzeren
Die Geschichte von Max und Moritz als Kindervorstellung
Es war das dritte Mal, dass Daniela ins Stadttheater ging. "Das erste Mal sah ich 'Hänsel und Gretel", erklärte sie. "Das fand ich langweilig. 'Wiener Blut' gefiel mir, nur kam ich am Anfang nicht mit. 'Max und Moritz' aber ist wirklich sehr gut." – Also Lob? "O ja", bettelte in der Pause eine Studienkollegin, die jetzt zum Personal des Hauses gehört, "schreib einen guten Bericht, bitte!"
Also Lob! Lob für die schöne Darstellung der Witwe Bolte durch Vera Schweiger; Lob für die exakte Lämpel-Groteske von Hatto Hirsch; Lob für den temperamentvollen Max von Marina Steinmann und Anerkennung für den zuweilen etwas dümmlichen Moritz von Christa Pillmann. Sehr schön, wenn auch klugerweise in keiner Beziehung zum Stück, war das Bühnenbild, das die Übungsklassen des Seminars Marzili hergestellt haben. Ein ganz grosses Lob schliesslich für die Kostümbildnerin Brigitte Lenz sowie die Maskenbildnerinnen Johanitta Mutter und Kathrin Zingg. Sie gaben den Schauspielern genau jenes Aussehen, das man findet, wenn man das Buch von Wilhelm Busch zur Hand nimmt...
Nimmt man das Buch zur Hand, wird man indessen eine unerwartete Entdeckung machen. Man wird finden, dass das Theater besser getan hätte, die Finger von dieser Geschichte zu lassen. All das Platte und Leere, das der Aufführung so schlecht anstand, gibt es nämlich bei Wilhelm Busch nicht. Hier ist jeder Moment bedeutsam, und die Bilder treffen den sprechendsten Moment. So ist das Buch eine Sammlung optischer und sprachlicher Höhepunkte. Was zwischen diesen liegt, soll sich der Leser denken; künstlerisch gesehen ist das Ausgesparte überflüssig.
Es liegt in der Natur der Sache, dass das Theater solche ein geniales Verhältnis von Bild und Text nicht respektieren kann. Es kann sich nicht auf Momentaufnahmen beschränken, auf 98 Bilder und 400 Verse. Sondern es wird das Verschwiegene sagen und das Ausgesparte zeigen müssen. Und damit wird es neben dem Buch stets abfallen. Weil das, was die Bühne zusätzlich bringt, künstlerisch stets ein Minus sein wird.
Also kein Lob? Nein. Denn neben dem Kürzeren, den das Theater notwendigerweise ziehen musste, weist Achim Platos Inszenierung zu krasse vermeidbare Schwächen auf. Nur ansatzweise hat sie versucht, die verlorene Prägnanz des Buches durch eine skurrile Spielweise einzuholen. Zumeist aber blieben die Darsteller konturlos, oder sie schmierten gar. Und das gab der Aufführung den Rest. Denn "das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt."