Die gold'ne Meisterin. Edmund Eysler.

Operette.

Thomas Koncz, Hans Fretzer. Stadttheater Bern.

Radio DRS-2, Reflexe, 5. Januar 1984.

 

 

Am 13. September 1927 isch üsi Operette im "Theater an der Wien" zum erste Mal gspielt worde. U zwe Tag später, am 15. September, het die füehrendi Tageszytig vo Österreich, die "Neue Freie Presse", ihri Kritik abdruckt. I wett nid uf das ygah, wo my Kolleg denn gschriebe het, ou wenn syner Usfüehrige uf e Tupf genau stimme u bis hüt nüt a Richtigkeit verlore hei. Är redt vom ene "mehr als primitiven Textbuch", d Handlig, seit er, nähri sich "von kräftigem Vereinstheaterhumor", u d Operette als Ganzes bezieji ihre Wirksamkeit "hauptsächlich vom Wein, vom alten Steffel und aus Speckknödel-Situationen". D Musik, so seit üse Gwährsma, isch yfallslos: "Die Polkaform dominiert vom Anfang bis zum Ende, innige und alkoholische Gefühle werden in Walzern und Weinliedern ausgedrückt, und auf reschen und feschen Höhepunkten schmettern dreiteilige Märsche." Uf all das wett i nid necher yga. Es stimmt eifach, und üsi Operette isch dermit charakterisiert.

 

Uf der glyche Syte aber, wo me die Kritik ir "Neuen Freien Presse" cha finde, steit unter "Lokalnachricht" folgende Titel: "Dem Verhungern nahe". Um was geit's? "Ein Mann von akademischer Bildung und ehemals in guter Stellung ist in verzweifelter Lage und dem Verhungern nahe. Durch die Ungunst der Zeitverhältnisse ist er um alles gekommen und leidet nun mit seinem einzigen Kinde bittere Not." Ir glyche Zytig isch ou en amtlichi Verlutbarig abdruckt: "Das Wanderungsamt warnt neuerdings, zur Stellensuche nach Deutschland zu reisen, ohne vorher einen Arbeitsplatz gesichert zu haben. Noch immer steht in Deutschland eine grosse Zahl von Personen in öffentlicher Unterstützung. Es sind daher die Aussichten für Stellensuchende nicht als günstig zu bezeichnen, zumal mit dem Ende der Bausaison eine Verschlechterung der Lage eintreten muss." – September 1927: D Zyte sy sträng, es fählt a Arbeit, u me rächnet dermit, dass sich d Lag verschlechteret. Sit Ändi vom Erste Weltkrieg git's z Österreich 250'000 Arbeitslosi. U die, wo no chöi schaffe, verdiene nid der Huufe. Bsunderbar schmal müesse d Handwärker u d Arbeiter düre. Der Wuchelohn betreit im Durchschnitt 55 Schilling. Es Paar Schue vo mittlerer Qualität aber koste 26 Schilling. E Handwärker muess also derfür e halbi Wuche schaffe. Hüt brucht er für ds Glyche öppe ne Vormittag. 60 Prozent vo allne Hushaltusgabe gönge uf d Nahrig. Hüt sy nes no 30 Prozent.

 

Vo all däm merkt me i der "gold'nen Meisterin" nüt. Wie zum Hohn uf d Verhältnis von 1927 spielt d Operette im 16. Jahrhundert, "zur Zeit, wo das Handwerk noch einen goldnen Boden hatte". U d Gschicht, wo verzellt wird, het mit de Gägewartsproblem vo de Wiener nüt z tüe. Ar Spitze vom Staat gibt's no ne Kaiser, u dä Kaiser git uf em Ball der verwitwete, aber junge u knusprige Goldschmiede-Meistere es Müntschi uf d Backe. Die gueti Frau flippet ab dem kaiserliche Müntschi schier us. Vo jetz a wott sie nume no ne Adlige hürate – u derby hei d Textverfasser doch der Christian erfunde, e fesche Bursch, wo vo Afang a für d Meistere gmacht isch. Sie darf's nume nid z früeh zuegä, schüsch isch das Gschichtli scho us. U so zieht es sich halt i d Lengi, ganzi vierehalb Stund het d Uruffüehrig duuret, z Bern blybt eim d Hälfti erspart, u me cha nach zwone Stund wieder hei.

 

Was ds Stadttheater Bern bietet, isch aständigs, subers Operettenhandwerk, aber vom ene Ereignis, von ere glanzvolle Wiederentdeckig cha me nid rede. Me het halt bi üs ou nid mit son ere grosse Kelle chönne arichte wie synerzyt z Wien. Dert het es 40 namentlich erwähnti Rolle gä. Es halb Dotze Lehrbuebe zum Byspiel, e Xaverl, e Tonerl, e Muckerl. Es het Page gä, vom Edelbert über en Erasmus bis zum Kassian. Mägd wie d Kunigunde, d Anastasia, d Walpurga, derzu Fritzl, Peperl, Hanserl, u ganz am Schluss vom Rollenverzeichnis no "Herren und Damen der Gesellschaft, Gäste, Bürger, Bürgerinnen, Soldaten, Sänftenträger, Gesellen, Lehrbuben, Musikanten, Küfer, Schankburschen, Mägde".

 

So üppig het me z Bern wie gseit nid chönne arichte. Aber der Regisseur, der Hans Fretzer, het immer no ne Chor gha, won er i vierne Reihe het chönne ufstelle u zum Takt vo der Musik la schunkle. Es isch e gueti, alti Uffüehrig gsy, wie me se scho vor 60 Jahr hätt chönne gseh, wo my Grossvater am Stadttheater Statist isch gsy. Scho denn hei d Hauptdarsteller im Takt ihri Füess glüpft, wenn sie nes komisches Liedli gsunge hei, sie hei mit de Händ gwädelet u der Kopf im Äcke schelmisch hin- u härgworfe. Der Joachim Wolf, der Hans-Joachim Frick, d Svetlana Winteler u der Morris Morgan zeige bewährti, solidi Theaterroutine. Sie probiere nid, us ihrne Micky-Maus-Gstalte e Vielschichtigkeit usezgrüble, wo gar nid dinnen isch. Sie stönde a d Rampe u schmättere froh u lustig ihri Lieder, zum Byspiel das:

 

"Portschunkula! Portschunkula! / Wie schön bist du bei Nacht! / Wie schön bist du bei Nacht! // Bei Tag, da bist du nicht so schön, / Doch abends, wenn die Sternlein steh'n, / Da ist es eine Pracht! / Wer hätte das gedacht?!"

 

Derzue tönt am Eysler syni Musik, u zwar so:

 

(Musik)

 

Dihr gseht, so yfallslos wie der Text isch ou d Musik. D Wiener Ufnahm, wo jetz grad erklungen isch, bringt dür ihre militärisch-stramme Takt d Schwechnine bsunders guet use. Ar Berner Uffüehrig het der 31jährig Thomas Koncz als Dirigent probiert z rette, was z retten isch. Är het der Rhythmus mit Beschleunigunge u Verzögerige gschmeidiger gmacht, und en üppige, weiche Strycherteppich drübergleit. So isch's eim wohl gsy bim Lose, me het sich innerlich usgstreckt u sich vo lauwarme Klangwälle la umspüele. Uf die Art isch me am Operettenzauber erläge. Me het sich la yfah vom ene Wärkli, wo syne Schwöstere uf ds Haar glycht. Wie jedi Operette isch ou "die gold'ne Meisterin" dumm, verloge u flach. Aber äbe – wenn öppis dumm isch, brucht me nid z dänke. U bim Verlognige cha me d Wirklichkeit vergässe. U wenn öppis flach isch, brucht me nid Angst z ha vor den Abgründ, wo ds Läbe u d Kunst immer wieder ufrysse.

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