Così fan tutte. Wolfgang Amadeus Mozart.
Oper.
Michael Boder, Herbert Wernicke. Theater Basel.
Radio DRS-2, Reflexe, 27. November 1990.
Us der Statistik isch bekannt, dass a mängem Ort jedi zwöiti Ehe nach füf Jahr wieder usenand geit. Me isch zur Überzügig cho, dass me nid zäme passt. Me het öpper anders glehrt kenne, wo besser harmoniert, kurz, me het sich trumpiert u laht sich drum la scheide. Isch aber dermit ds Problem glöst? Isch der Nächst oder die Nächsti de ou würklich die richtigi? Simmt's das Mal hundertprozentig? Das sy so Frage, wo sich i jedem Läbe stelle. Aber niemer cha sie beantworte. Drum wycht me ne ou us. "Così fan tutte", die Opere vom Mozart, isch so nes Byspiel. Bis 1930 het me sie praktisch nie gspielt, will sie äbe d Frag nach em Wäse vor Liebi gstellt het. Die grosse Komponiste Wagner und Beethoven hei "Così fan tutte" verachtet u gfunde, me müess pervers sy, wenn me a dere Opere Freud heig. Will da drei Stund lang d Liebi i Zwyfel zoge wird. Will da drei Stund lang a der Treui picklet wird, bis sie zämegheit. So dass am Schluss es Liebesverhältnis über ds Chrütz entsteit. Das isch de Lüt früecher unheimlich vorcho. Sie hei d Gwüssheit gsuecht. D Gwüssheit vo der Treui, d Gwüssheit vo der Liebi. Am Mozart syni Musik aber het d Grundlosigkeit vom Gfüehl u ds Schwanke vor Liebi hörbar gmacht.
(Musik)
Ds Schwankende vo der Liebi, d Grundlosigkeit vom Gfüehl – daderfür het der Herbert Wernicke als Regisseur und Gstalter vor Basler Uffüehrig es sinnfälligs Symbol gfunde: d Insel. D Insel als feste Punkt im Ozean; e chlyne, chlyne Blätz Ärde, wo me Bode het unter de Füess. Und wenn mer das Symbol wei düte, de cha me säge: die meerumspüelti Insel, nid grösser als e Punkt, entspricht der Sicherheit vor Konvention. Wenn me abmacht, wär zämeghört, de setzt me e Punkt i die unendlichi Wyti vo de Möglichkeite. Die beide Paar auf der Insel aber, wo d Treui vonenand wei erprobe u sich derby über ds Chrütz verliebe, zeige glychzytig, dass d Abmachig, d Konvention, kei Schutz isch, will d Gfährdig vo inne chunnt: "Wer weiss denn schon, dass er geliebt wird?", het der Jean Paul gschriebe. "Wir drücken ja nur Brustgitter aneinander; aber die Herzen sind gefangen und berühren sich nicht."
(Musik)
Uf der Liebesinsel also mache zwöi Paar d Erfahrig, dass es i der Liebi kei Sicherheit gibt. Und wo ihri Untreui für alli ufgflogen isch, da ersch sy sie ryf für d Liebi. Jetz, wo sie wüsse, wie weni dass sie anenand hei, chöi sie zunenand ha u säge: Jetz ersch rächt. U jetz ersch, wo sie alles wüsse vonenand, verlöph sie mit eme Bootli d Liebesinsel, dä letzt fest Punkt im Ozean, u fahre use i ds offnige Wasser. Sie hei d Lektion vo der Liebesschuel begriffe, "La scuola degli amanti" liegt hinter ne, jetz föh sie afe läbe.
(Musik)
Ds Gheimnis vom Herbert Wernicke syre Inszenierig liegt i ihrer Unschynbarkeit. Uf en erst Blick chunnt sie ganz konventionell derhär, öppen e so, wie landuf, landab "Così" inszeniert wird, nid spektakulär, nid provokant, nid verrätslet, sondern klar, eifach, ganz nach am Libretto, so dass me ds Bsundere dran gar nid gseht. Aber nahdisnah nimmt's eim der Ärmel yne, das Spiel mit der Liebi überchunnt d Spannig und d Ydringlichkeit vom ene Hitchcock-Film. Bis zum Schluss zieht der Wernicke d Schruben a. Und als Kritiker weiss me gäng no nid: Was het är eigentlich gmacht? Da faht me afe grüble und merkt ersch uf em Heiwäg, wo d Leistig liegt: Der Wernicke het sys Ensemble so wyt bracht, dass sich d Sänger nümm als Sänger bewege. Ir ganze Künstlichkeit vo "Così fan tutte" also en absolut glaubwürdigi Basis im Spiel vo de Darsteller. Sie löh eim ds Theater vergässe, sie löh eim d Opere vergässe. Die unglaubliche Vorussetzige, wo de Lüt 200 Jahr lang bi "Così fan tutte" hei Kopfweh gmacht, sy vergässe, u mi erläbt ds Spiel eso natürlich, wie wenn's nid anders chönnti sy. Dadermit verratet der Wernicke aber die gheimste Gedanke vom Mozart syre Musik. Me begryft, dass d Lüt früecher gfunde hei, die Musik syg sinnlich ufreizend u schlüpfrig.
(Musik)
Die Musik chunnt ab Platte. Im Theater Basel spielt ds Radio-Sinfonieorchester Basel. Ar Premiere für mi Gschmack z trocke u z weni sinnlich. Der Michael Boder het gluegt, dass kei Ton dernäbe geit. Är het uf Präzision gachtet und die Präzision isch ou überecho. Aber statt eme poinillistische Bild, wo die einzelne Farbtupfe aföh vibriere, het är e Stahlstich abglieferet. Die fynsti Linie bis i ds letzte Detail uszoge, aber die vibrierendi Wärmi het gfählt. Uf der andere Syte muess me säge, dass mit dere Präzision alli Vorussetzige da sy, für dass im Lauf vo de Uffüehrige Läbe dry chunnt. – Ds Sängerensemble isch jung und im Zämeklang schön und wytgehend homogen. Für sich gno, isch nid jedi Stimm glych wyt; aber im Zämesinge und im Zämespiele chöi sie ds Publikum erstuunlich i Bann zieh. Es het der ganz Abe niemer ghuestet. D Uffüehrig verhett musikalisch, d Inszenierig verhett künstlerisch. Ds einzige, wo nid verhett, das isch der Mönsch mit syre Liebi. U das cha me jetz erläbe, ghöre u gseh bi "Così fan tutte" im Theater Basel.