Frank Buchser in Amerika. Katharina Ramser.
Ein Recherche-Projekt.
Katharina Ramser, Stefanie Liniger, Thomas Bernhard, Michael Nobs. Theater Orchester Biel Solothurn.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 22. März 2025.
> Die Gattungsbezeichnung ist ehrlich. Die Vorstellung zeigt, wie der Untertitel sagt, "ein Recherche-Projekt". Also kein Stück. Kein Schauspiel. Keine Komödie. Keine Tragödie. Sondern, nun ja, eine Dokumentation. Von einem Recherche-Projekt ist keine Perfektion einzufordern. Das Wort bekennt, dass die Aufführung noch unvollkommen sei. Das bedeutet: Keine Spannung, keine Psychologie, keine Liebesgeschichte, keine Intrige, keine Charaktere, keine Helden. Nur Rollenträger und Aufsager. – Iwan Liebherr im "Echo der Zeit" vom 17. März: "Es heisst, das Pendel schlage zurück, nachdem die [amerikanischen] Universitäten es beispielsweise mit ihrer Antidiskriminierungspolitik übertrieben hätten. Sehen Sie das auch so?" Prof. Andreas Wimmer, Columbia University: "Es gibt gewisse Kreise, die eine bestimmte Art, die amerikanische Gesellschaft aus der Perspektive von Rassenungleichheit oder Geschlechterungleichheit zu beschreiben, bevorzugen. Diese Kreise haben einen Marsch durch die Institutionen gemacht und [wie Trump] ebenfalls dazu beigetragen, dass die Forschungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde, diesmal aber von einer linksidentitären Position." Aus dieser Position nun wird im Aarestädtchen Solothurn "Frank Buchser in Amerika" vorgetragen, mit starkem Akzent auf Gesinnung, nicht auf Theaterkunst. Und leider, leider, ohne Sprache. Nur Sprech. Adieu Büchner! Adieu Kleist! Adieu Brecht! KI kann's nicht besser. <
Wenn der Schauspieler anfängt zu sprechen, steht er dazu oder sitzt zurückgelehnt in einen Sessel. Er gibt kund, wer er ist und was er will. Der Kollege, den er anspricht, nickt eifrig. Er hält den monologischen Fluss durch Laute der Anteilnahme oder der Neugier in Gang. So bewegt sich die Aufführung additiv durch die Etappen von Frank Buchsers Leben und trägt die Resultate des Recherche-Projekts mit Statements vor. Alle Inhalte sind seriös und sicherlich belegt. Doch Dialogkunst sieht anders aus. In Biel/Solothurn kommt sie nicht in den Blick.
Zum Mangel an "Flavour" (ein Lieblingswort Fontanes) trägt bei, dass die Leute nicht die Sprache ihrer Epoche verwenden, sondern die Ausdrucksweise des MAZ, Institut für Sprache und Kommunikation. Frank Buchser bereiste die Vereinigten Staaten in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo auf der Bühne noch "Othello, der Mohr von Venedig" lief, die Eisenbahnen gebaut, die Indianer verdrängt und die Büffel ausgerottet wurden. Eben ist der Sezessionskrieg zuendegegangen. Doch das N-Wort taucht in keiner Weise auf. Die Bühne spricht lediglich, politisch korrekt, von "Indigenen".
Die Artifizialität gipfelt in der anonymen Off-Stimme einer Tagesschausprecherin. Sie bringt die Fakten ein, die durch das Projekt zusammenkamen, während das Video von Thomas Bernhard dazu die Illustrationen liefert; mal mit bewegten farbigen Bildern wie Meereswellen, wenn von Sturm die Rede ist, mal mit historischen schwarz-weiss Fotografien, wenn es um die Indigenen geht.
Zur Hauptsache werden die Inhalte von Männern übermittelt. Günter Baumann, Gabriel Noah Maurer und Fabian Müller bringen in 2 Stunden 25 Minuten (mit Pause) 16 verschiedene Figuren auf die Bretter, und ebenso viele verschiedene Stiefel, Jacken, Hosen, Soutanen, Bärte, Schnäuze, Hüte, Kappen und Frisuren. Ein Lob der Theatergarderobe! Für Bühnenbild und Kostüme zeichnet Stefanie Liniger.
Die Krone für die Meisterung der Logistik geht an die Frau, bei der alle Fäden zusammenlaufen: Katharina Ramser. Sie hat die Ergebnisse der Recherche getextet und in einen Ablauf gebracht, der tausend inhaltliche und formale Details koordiniert: Was wird früher gesagt, was später? Wer tritt wann auf und woher? Wie kommen welche Requisiten auf die Bühne und wann kommen sie wieder weg? Wann wird welche Musik eingespielt? Wann wird die Szenenbeleuchtung mit Saallicht ergänzt (Licht Michael Nobs)? So wird alles professionell geleistet, was fürs Theater nötig ist.
Aber etwas fehlt: Ein Stück. Darum hat der Abend keine Spannung, keine Psychologie, keine Liebesgeschichte, keine Intrige, keine Charaktere, keine Helden. Nur Rollenträger und Aufsager. Mit diesem Manko ist "Frank Buchser in Amerika" als szenisches Ereignis ungenügend.
Auf der Bühne sind ...
... drei Schauspieler ...
... und einer spricht.