Eine feine Inszenierung der Blicke. © Astrid Knie.

 
 

 

Trilogie der Sommerfrische. Carlo Goldoni.

Komödientrilogie.

Janusz Kica, Karin Fritz. Theater in der Josefstadt, Wien.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 13. März 2025.

 

> Inhaltlich ein Nichts. Erster Teil: Die Vorbereitungen zur Abfahrt. Zweiter Teil: Die Sommerferien am Meer. Dritter Teil: Wieder daheim. Das Ganze mit drei sozialen Schichten: (1) Die Älteren, gesetzt und vermögend. (2) Die Jungen, getrieben vom Liebes- und Geltungstrieb. (3) Die Dienerschaft, mitgerissen vom Wirbel. Jetzt nimmt Regisseur Janusz Kica den Schneebesen, patscht da hinein und dort, und aus dem Nichts entsteht ein Soufflee, entzückend, luftig und leicht. Michelin: "Drei Sterne. Unvergleichliche Küche. Eine Reise wert." <

 

Wo so viel Luft ist, kommt es aufs Detail an – und auf die Dosierung. Ganz sorgfältig setzt Regisseur Janusz Kica die Figuren in den leeren Raum, den ihm Karin Fritz zur Verfügung stellt, und realisiert seine unvergleichliche Kunst der Komposition. Wenn zehn Personen auf der Bühne sind, leitet er den Blick des Zuschauers gerade auf die, die etwas macht: den Kopf schüttelt; den Blick nach oben wirft; den Atem einzieht; ein Briefblatt entfaltet. Dazwischen ist viel Luft, viel Zeit, viel Raum.

 

In der magistralen Ruhe können die Einzelheiten wirken: Ein Koffer wird abgestellt; ein Sessel hereingetragen; eine Tasse Kaffee serviert; ein Liegestuhl entfaltet. Das machen die Schauspieler der Josefstadt – Meister der Nuance – mit abgespreiztem kleinem Finger. Einen Sechzehnjährigen spielen und charmant "gerne!" sagen: Matthias Franz Stein (35), mit fabelhafter Diktion. Als liebesbedürftige Matrone einem jungen Schleicher erliegen, komisch und anrührend zugleich: Marianne Nentwich (83), mit fabelhafter Diktion. Durch staksigen Gang das gutartige Dummchen verkörpern: Paula Nocker (28), mit fabelhafter Diktion. Als bescheidenes kleines Wesen von der Liebe träumen: Katharina Klar (37), mit fabelhafter Diktion.

 

Die kluge Aufführung spielt mit den Ebenen. Gleich am Anfang: Bühnenzauber. Ein neutrales Wandelement gleitet von links nach rechts und führt eine Figur herbei. Es gleitet zurück, die Figur ist weg. Dafür steht ein Sessel da. Später werden Instrumente hereingerollt. Markus Kofler (50), der Diener, setzt sich ans Klavier, und Raphael von Bargen (47), der Schmarotzer und Schleicher, zupft am Kontrabass. In ein Galgenmikrofon, das viel zu hoch für ihn gehängt ist, so dass er den Kopf nach hinten werfen muss, singt Marcello De Nardo (62) tonsicher und akzentfrei einen Hit der Cantautori. Die Musiknummern funktionieren als dramaturgische Säulen. Dank ihnen bricht der Bogen nie ein.

 

In verschiedenen Momenten wird die vierte Wand durchstossen, und das Publikum kommt mit ins Spiel: Immer dann, wenn es Claudius von Stolzmann (44) zum Davonlaufen ist. Durch die Heirat mit einer Frau, die er nicht liebt (Juliette Larat [24], mit fabelhafter Diktion) will, nein: muss er sich finanziell sanieren, denn die Sommerfrische hat ihn an den Fuss des Ruins geführt.

 

Carlo Goldonis einfache Konstruktion fängt den Stress ein, der sich dadurch ergibt, dass man vor den andern gut dastehen will, nein: muss. Im Programmheft wird der "Spiegel" vom 27. Mai 2024 zitiert:

 

Ferien-Farce:

Drei Millionen Italiener täuschen Urlaub vor

 

Der Anrufbeantworter wird eingeschaltet, der Kühlschrank mit Essen vollgestopft, die Kinder mit Videos ruhiggestellt: offenbar jeder 20. Italiener täuscht seiner Umwelt vor, er sei in die Ferien gefahren, bleibt aber wegen Geldmangel in den eigenen vier Wänden.

 

Das ist Theater in der Josefstadt: Es nimmt ein Stück aus einer vergangenen Epoche, führt mit ihm in eine andere Kultur, zitiert fremdsprachige Lieder ... und am Ende stehen die Zuschauer vor der eigenen Zeit, wo jeder versucht, mit Ohrringen, Armbändern, Kettchen, Tattoos, Piercings und Gehabe etwas aus sich zu machen, in der Komödie des gesellschaftlichen Lebens heute nicht anders als 1771.

 

Das innere Wesen des Menschen bleibt sich immer gleich und ist derselbe Charakter, mag er sich auch in Jugend, Reife und Alter in verschiedenem Lichte zeigen. (Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit.)

 

Ein Soufflee. Das muss man aus der Materie erst herausschlagen. Dann verlässt es den Ofen: Entzückend, luftig und leicht, mit zartem Biss. Drei Sterne. Keine Frage.

Das Wesen des Menschen ... 

... bleibt sich ...

... immer gleich. 

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