Was man nicht gleich sieht ... © Florian Spring.

 

 

Graf Öderland. Max Frisch.

Eine Moritat in zwölf Bildern, ergänzt mit Texten von Ralph Tharayil und Liedern von Juli Niemann nach Gedichten von Ingeborg Bachmann.

Bühnen Bern.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 16. Februar 2025.

 

Nach der Deuxième verabschiedete sich der Universitätsdozent mit den Worten: "Das gibt sicher einen Verriss!" Tut mir leid, Herr Doktor, nicht einmal das. Angesichts der Weltlage sind Stück und Aufführung so hoffnungslos veraltet, dass mir zur Berner Fassung von "Graf Öderland" nicht das Geringste einfällt. Ein früherer Chefredaktor des "Bund" erklärte freundlich, es solle sich um einen "Moritatenreigen" handeln, und er sah darin "einen Bezug zu Brecht". Tut mir leid, ich hab's nicht gemerkt. Eine junge Dame auf dem Nebensitz ergänzte hilfsbereit, in der Einführung habe sie vernommen, jedermann solle sich seinen eigenen Reim machen. Tut mir leid, damit bin ich überfordert. Ich verstehe einzig, dass die Inszenierung durch die Wiederkehr des Anfangs suggeriert, ich hätte einem Traum beigewohnt. Da ist natürlich alles verzerrt, unlogisch, unverständlich. Diplomierte Therapeuten können vermutlich das Gesehene deuten. Aber ich bin nicht Doktor Freud, tut mir leid. Ich muss mich an Prof. Dr. Georg Christoph Lichtenberg von der Universität Göttingen halten. Er hatte hundertmal mehr drauf als ich, notierte sich aber: "Was man nicht gleich sieht ist keine drei Groschen wert, artifizielles Gewäsch." Auf Grund dieser Tatsache muss ich die Besprechung ausfallen lassen. Tut mir leid.

Jedermann soll sich ... 

... seinen eigenen ... 

... Reim machen. 

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