Das Verhängnis schreitet schnell. © Judith Buss.

 
 

 

I Capuleti e i Montecchi. Vincenzo Bellini.

Tragedia lirica.

Gernot Sahler, Alexander von Pfeil. Universität Mozarteum Salzburg.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 13. Dezember 2024.

 

> Einmal mehr ist die Universität Mozarteum Salzburg Opernhaus des Jahres (jedenfalls nach dem Dafürhalten der "Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt"). Das ist auch nicht weiter verwunderlich: An der Salzach holt sich die globale Elite (zu deutsch: die Auswahl) der in den nächsten Jahren kommenden Sänger und Musiker den letzten Schliff vor dem Übertritt ins Berufsleben. Und hier legen jetzt die jungen Hochbegabten eine Romeo-und-Julia-Tragödie hin, dass es den alten Opern- und Schauspielkritiker umhaut. <

 

Den Kern bildet das Kammerorchester der Universität Mozarteum. Es spielt Vincenzo Bellinis Partitur in der Orchesterreduktion des englischen Dirigenten Francis Griffin. Jede Stimme ist solistisch besetzt. Damit genügen 15 Musiker: eine erste Geige, eine zweite, eine Bratsche, ein Cello, eine Bassgeige, acht Blasinstrumente, Pauke, Schlagwerk, Harfe. Diese Schar, bei der es auf jeden einzelnen ankommt, befindet sich in der Mitte des Geschehens. Vor ihr – das heisst vom Zuschauer aus gesehen am rechten Seitenrand – steht Gernot Sahler am Pult. Er dirigiert in schwarzem T-Shirt mit Stab und unbedeckten Armen. Wachheit, Kompetenz, Konzentration und Ruhe gehen von ihm aus; sie prägen die Leistung der Instrumentalisten, der Sänger – und über sie hinaus die Aufnahmebereitschaft des Saals, so dass von der ersten Minute an alle miteinbezogen sind in ein ausserordentlich genau getaktetes Opernereignis, das einmal mehr die Handschrift des Regisseurs Alexander von Pfeil trägt.

 

Ums Orchester herum stehen sechzehn verschiedene Podien und Absätze. Einzelne befinden sich mitten unter den Zuschauern, andere weit abgerückt im Hintergrund. Zu ihnen führen die Wege über die leere Bühne oder quer durchs Publikum. Die Aufstellung der Spielorte hat zur Folge, dass sich die Emotion der auf und abtretenden Figuren auf die Besucher überträgt. Mit diesem Konzept vollzieht sich "I Capuleti e i Montecchi" als Raumtheater. Die mörderische Geschichte zweier verfeindeter Lager und – als utopische Gegenbewegung – das Zueinanderstreben zweier liebender Herzen entwickelt sich unter unaufhörlich wechselnden Perspektiven, Bezügen und Spannungsgraden.

 

Damit sprengt die Salzburger Produktion die Statik des frontalen, langweiligen Steharientheaters auf und bringt die grosse Tragödie in Fluss. Unterstrichen und hervorgerufen wird der überwältigende Eindruck durch ein Lichtkonzept, das mindestens die Bezeichnung "magistral" verdient. Einmal schaffen die Scheinwerfer die Intimität einer Kammer fürs Zwiegespräch, dann beleuchten sie mit denunzierendem Strahl einen Knäuel kämpfender Männer und schliesslich wecken sie das Gefühl der Verlorenheit unter schwarzem Himmel. "Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich sein erbarmen, denn bei ihm ist viel Vergebung." (Jesaja 55,7)

 

Die neun Solisten (Giulietta und Lorenzo sind doppelt, Romeo dreifach besetzt) und der achtköpfige Chor bieten mit ihren jungen, schönen, vibratolosen Stimmen einen reinen Hörgenuss. Ohne zu drücken, füllen sie den Raum des Max-Schlereth-Saals und reissen das Publikum mit.

 

Lieber Herr Musk! Falls Sie noch ein Opernhaus gründen möchten: Heute finden Sie am Mozarteum Salzburg eine vollständige Crew, mit der Sie allen Menschen guten Willens das Glück unüberbietbarer Bühnenkunst schenken können. Und das Beste ist: Nach der Tat werden Sie Ihre Marsraketen und E-Autos uninteressant finden.

Die Liebe führt in den Tod. 

 
 
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