Der Pelikan. August Strindberg.

Kammerspiel.

Stefan Maurer. Schauspielhaus Salzburg in Koproduktion mit dem Escher Theater.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 13. Dezember 2024.

 

> Als August Strindberg 1907 seinen "Pelikan" schrieb, hatte er, was die Bühnen- und Schauspieltechnik betraf, noch den Naturalismus vor Augen. In heutige Begrifflichkeit übersetzt, würde der Stil unter "Filmrealismus" laufen: zurückhaltende, möglichst alltäglich anmutende Wiedergabe von Personen in festem, nicht gemaltem Dekor. Was herauskommt, wenn diese Vorstellung des Autors beiseitegeschoben wird, zeigt sich jetzt in der Koproduktion des Schauspielhauses Salzburg mit dem Theater von Esch im Kleinstaat Luxemburg. <

 

Das Kammerspiel beginnt mit einer Beschreibung der Bühne:

 

Links Flügeltür in den Salon. Tür im Hintergrund zum Speisesaal; Balkontür rechts. Sekretär, Schreibtisch, Chaiselongue mit purpurroter Plüschdecke. Ein Schaukelstuhl. Palme auf einer Konsole.

 

DIE MUTTER in Trauer, setzt sich apathisch in einen Fauteuil; horcht dann und wann unruhig auf. Draussen wird Chopins Fantaisie impromptu, Oeuvre posthume, op. 66, gespielt.

 

DAS HAUSMÄDCHEN kommt vom Hintergrunde herein.

 

DIE MUTTER: Bitte, die Tür zu.

 

DAS HAUSMÄDCHEN: Ein scheussliches Wetter heute Abend. Sturm und Regen ...

 

Die Leistung dieser Art Dramaturgie liegt darin, Räume, Klänge und Gegenstände dergestalt mit der Handlung zu verknüpfen, dass die Sachen anfangen mitzureden. Sie unterstützen den Charakter der Spiels; sie ergänzen die Verläufe; sie schaffen Atmosphäre. Zum Dialog tragen sie ähnliches bei wie die Instrumentierung in der Musik.

 

Stefan Maurer hat nun für seine Inszenierung des "Pelikans" die Instrumentierung verändert, hauptsächlich, so ist zu vermuten, aus Kostengründen. Er hat Balkontür, Flügeltür, Tür im Hintergrund weggelassen; Sekretär, Schreibtisch, Chaiselongue, Schaukelstuhl und Palme beseitigt. Er hat den Sohn des Hauses, Jus-Student, ersetzt durch eine Tochter, Jus-Studentin, und das Hausmädchen durch einen Diener. So viel Gendergerechtigkeit muss sein.

 

Die Handlung läuft jetzt nur noch auf der leeren Vorderbühne, und da ist, namentlich bei erregtem Sprechen, nicht alles zu verstehen. Die Spielweise hat sich vom Realismus gelöst und verwirklicht einen mal schrillen, mal brutalen Expressionismus (Mampfen kalter Spaghettifäden aus der Faust; Begattung der Mutter durch den Schwiegersohn). Lebe wohl, feines psychologisches Kammerspiel!

 

Es ist eine Angelegenheit des Stilempfindens. Die Frage lautet: Verträgt "Der Pelikan" die Umorchestrierung? Und die Antwort ist: Gleich gut wie die Wiedergabe der symphonischen Partitur von Mendelssohns "Sommernachtstraum" durch eine Karussellorgel. Das Resultat ist nicht nachahmenswert.

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