Die Liebe ist nicht echt. © Pascal Gely.

 
 

 

Offenbach & les trois empereurs. Christophe Barbier.

Spectacle Musical.

Christophe Barbier. Théâtre de Poche-Montparnasse, Paris.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 14. Januar 2025.

 

> Offenbach zieht. Am Ende einer Serie von zwei Monaten mit je sechs Aufführungen pro Woche ist das Théâtre de Poche-Montparnasse voll bis zum letzten Platz. Auf roten, schmalen Bänken sitzen die Leute Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte, Oberschenkel an Oberschenkel. Sie gehören zur Generation der Boomer und sind alle weit über siebzig. Nach jeder Nummer rühren sie die Hände. Dabei gibt es in Wirklichkeit nichts zu beklatschen, sondern nur zu betrauern: Wo sind die Jahre, wo ich noch Jüngling war in lockigem Haar? <

 

An der Vorstellung im Keller des Boulevard du Montparnasse 75 lässt sich erkennen, auf welchem handwerklichen Sockel Offenbach seine Erfolge gezimmert hat. Nötig ist zuerst einmal ein wendiges, spielfreudiges Orchester, in dem sich die Mitglieder solistisch bewegen, um die Noten mit Salz und Pfeffer zu würzen. Für diesen Stil hat Offenbach auf seine Erfahrungen als Cellist im Orchester der Opéra-Comique zurückgreifen können. Ein Klavier aber vermag weder die Farben noch die Dynamik der Instrumente zu ersetzen, selbst wenn Vadim Sher auf die Tasten schlägt. Der Teppich für Pauline Courtins Gesangsstimme fehlt.

 

Die Sopranistin ist auch nicht eingebettet in eine Gruppe von Solisten, welche mit ihr im Duett, Terzett oder Quartett interagieren; und selbstverständlich ist sie auch nicht umgeben von einem Ensemble von Chor und Tänzern, welche die Effekte aufnehmen, verstärken und fortsetzen; auch wird sie nicht getragen von einem Dekor mit raffinierten Bild- und Kostümwechseln; nicht vorangetrieben durch eine Handlung mit vielen Mit- und Gegenspielern. In Gestalt eines Skeletts aber fehlen nun Offenbachs Nummern Charme, Biss und Schmiss.

 

Um die bekanntesten Lieder Revue passieren zu lassen, hat Christophe Barbier den Abend als Gesangsprobe angelegt. Im Café Anglais soll sich Hortense Schneider, die Primadonnna Offenbachs, im Rahmen der Pariser Weltausstellung 1867 auf einen Auftritt vor den drei Staatsoberhäuptern Napoleon III., Alexander II. und Wilhelm I. vorbereiten. Der Autor und Regisseur des Abends spielt selbst den Komponisten. Glaubwürdig ist er zwar nicht, aber in seiner beflissenen Art sympathisch – wie auch die beiden andern Spieler in den beeengten Verhältnissen des Kellertheaters.

 

Für das Publikum der Boomer 70+ wecken die Melodien Erinnerungen an Jérôme Savarys rauschende Kreationen zwischen 1970 und 1990 im Théâtre du Châtelet, im Théâtre de la Gaité, im Théâtre des Champs-Élysées und an der Opéra-Comique. Jetzt verfolgen die Alten die Mini-Aufführung mit nach innen gewendetem Blick, und in der gestrigen Spielweise finden sie einen Nachhall an die Zeit, wo ihnen noch die Locken natürlich auf die Schultern fielen. Und jetzt! Wo sind die Jahre?

Die Priumadonna mit ihrem Komponisten ... 

... und einem glühenden Verehrer. 

 
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