Wiener Blut. Johann Strauss.
Operette.
Herbert Wernicke. Theater Basel.
Radio DRS-2, Reflexe, 2. Oktober 1988.
Es isch jetz ei Tag här, sit d Premiere isch gsy; aber i cha mi no gäng nid fasse, dass es möglich isch, am Basler Theater so ne kitschigi Uffüehrig usezbringe wie die Inszenierig vo "Wiener Blut" dür e Herbert Wernicke. D Verlockig zum Kitsch isch bi "Wiener Blut" natürlich gross, wenn me sich scho nume vorstellt, was für saftigi Type da vorchöme: Der Fürst Ypsheim Gindelbach, der Balduin Graf Zedlau, d Demoiselle Franzisa Cagliari u d Probiermamsell Pepi Pleiniger.
U die Figure finde mir alli im gmüetliche alte Wien, i der Zyt vo de Postkutsche u vo de Rossbouele, im Jahr 1815. U we de der Fürst Ypsheim Gindelbach, der Balduin Graf Zedlau, d Demoiselle Franzisa Cagliari u d Probiermamsell Pepi Pleiniger am Abe no alli usfahre, i Garte vom Hietzinger Kasino zum Heurigen, und i däm Wirtshuusgarte mit syne Büsch u Läubli, mit syne Girlanden u Kerzenliechtli spielt de d Musik ihri schmalzige Wiener Walzer und ihri sentimentale Wiener Lieder, ja, de isch es äbe de schwär, nid i Kitsch abzgleite.
Jetz aber het d Inszenierig vom Herbert Wernicke das alles gar nid zeigt: Kes Hietzinger Kasino, keini Kerzenliechtli, kei Heurigenmusik, u glych isch d Uffüehrig kitschig gsy bis i d Knoche. Gället, das isch kurlig. Aber i will nech's grad erkläre.
Wenn öpper uf der Bühni steit u seit, är syg truurig – u derzue klopft er sich mit der Fust uf ds Härz, de isch das Kitsch. Oder wenn öpper uf der Bühni steit u seit, är syg verzwyflet, u derzue tuet är d Arme verränke, de isch das ou Kitsch. – Kitsch isch also, wenn me auf em Theater zwöi Mal ds Glyche macht; und das isch jetz äbe im Theater Basel bi "Wiener Blut" dür ds Band wäg passiert. Der Herbert Wernicke als Regisseur het uf der Bühni nume das zeigt, wo ds Stück einewäg scho verzellt. D Operette seit die ganzi Zyt nei, und am Wernicke sy Bühni schüttlet derzue der ganz Abe lang der Kopf. Das isch Kitsch.
Wie isch's derzue cho? Luege mer mal d Handlig a: "Wiener Blut" spielt zur Zyt vom Wiener Kongress, im Jahr 1815. – 1815 isch der Napoleon gschlage, u ds französische Revolutionsheer isch i de Chnöi. D Fürste vo ganz Europa hei gäge d Revolution gkämpft; jetz hei sie putzt und wie d Macht neu yteile. Offiziell geit's drum, z Europa der Friede z sichere. Inoffiziell aber geit's drum, der Chueche neu z verteile. U das erreicht me mit Intrigiere, mit Schmiere u mit Wybergschichte. D Diplomate, wo für ihri Völker sötte der Friede sichere, füehre z Wien es Lotterleben in Saus und Braus. Sie trinke Champagner u tüe Walzer tanze, aber hinter dere Prunkfassade gönge tiefi Risse dür d Tragbalke, u mir gspüre der politisch u moralisch Abgrund. D Operette "Wiener Blut" isch also ds Gägeteil vo Kitsch. Ar Oberflächli lächlet sie; u hinter der Oberflächi denunziert sie klar u schonigslos d Charakterlosigkeit vo de Lüt u d Verlogeheit vo de Politiker.
D Inszenierige vo "Wiener Blut" zur Zyt vo üsne Grossvätere hei albe nume d Oberlächi zeigt u d Abgründ verdeckt. Sie sy dermit am Werk nid grächt worde; sie hei e halbbatzigi Sach uf d Bühni gstellt u sy i sentimental Kitsch ynegrate.
Der Herbert Wernicke het jetz der umgekehrt Wäg ygschlage. Är suecht ds Gegenteil vor stimmungsvolle Sentimentalität u baut uf der Bühni der Usstelligssaal von ere Kunsthalle nache. Mir gseh nume wyssi Wänd u vo allne Syte här unerbittlichs Liecht. Und i däm unerbittliche Liecht tuet üs jetz der Wernicke d Charakterlosigkeit vo de Lüt u d Verlogeheit vo de Politiker entlarve. Är zeigt üs also, was d Operettefigure im Grund für Lumpe sy – u dermit seit üs der Wernicke nid meh als d Operette scho seit. Nume het üs d Operette d Lumpe no i glänzende Kostüm vorgfüehrt; sie het gspielt dermit, dass Sein und Schein wyt usenand gheie. Dermit isch d Operette, wenn mir's wei gschwulle säge, es dialektischs Wärk. Der Wernicke het üs aber nume die einti Syte vor Dialektik zeigt, d Negation. Syner Figure sy vo Afang a entlarvt. Es git kei Spannig meh zwüsche der Oberflächi und em Abgrund. Sondern hie z Basel seit d Operette nei, und am Wernicke sy Bühni schüttlet derzue e ganze Abe lang der Kopf. Wenn me aber im Theater zwöi Mal ds Glyche macht, de isch das Kitsch. Im Fall vom Wernicke Kitsch für Intellektuelli; das heisst ideologische Kitsch. Anders cha men ihm nid säge, es tuet mer leid.