Die Stimme ist futsch. ©  Fabienne Rappeneau.

 
 

 

L'extraordinaire destinée de Sarah Bernhardt. Géraldine Martineau.
Schauspiel.

Géraldine Martineau. Théâtre Palais-Royal, Paris.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 25. Oktober 2024.

 

> Wäscheleine. Damit sind Stück und Aufführung beschrieben. Die lose, durchhängende Schnur entspricht dem Zeitstrahl. An ihm sind einzelne Fetzen aufgehängt. Sie zeigen Kurzszenen aus Sarah Bernhardts Leben und werden durch nichtssagende musikalische Zwischenspiele auseinandergehalten. Aber der Name der Tragödin zieht. Das Theater ist gut besetzt. Im Epilog erklärt die Darstellerin der Titelrolle, die Bernhardt habe den Männern zeigen wollen, wozu eine Frau imstand sei. Für solche Lehre spendet das Publikum dankbar Applaus. <

 

Als Autorin und Regisseurin zeichnet Géraldine Martineau für Stück und Aufführung. Auf beiden Feldern liefert sie bloss eine beflissene Schülerarbeit ab, Note: ungenügend. Die Bühne bebildert einzelne Stationen aus Sarah Bernhardts Leben, doch fehlt es an Präzision und Durchschlagskraft. Zwar spielen alle loyal mit, aber es ist ihnen verwehrt, durch Persönlichkeit und Talent dem Abend Leben zu geben, schon nur, weil jeder Spieler drei bis fünf Kleinstrollen vorzubringen hat. Einzig die Darstellerin von Sarah Bernhardt könnte einen Bogen schmieden. Aber Estelle Meyers Spiel ist beschränkt und ihre Stimme verschlissen ... vielleicht nur am besuchten Abend, vielleicht für immer. So oder so – der Abend stimmt traurig.

 

Mit dem szenischen Biopic führt das Théâtre Palais-Royal vom heutigen Paris zurück in die Zeit vor der Dampfeisenbahn. Damals rekrutierten die Prinzipale der österreichischen Provinztheatertruppen ihre Spieler im Komödienbierhaus. Wie es dort zuging, hat Ignaz Franz Castelli, Autor von 199 vergessenen Lustspielen, beschrieben:

 

Der Direktor einer ambulanten Truppe kommt ins Bierhaus und spricht: Herr Wirt, ich brauche einen Liebhaber, ist einer da?

Wirt (auf den jungen Mann deutend): Dort sitzt so was.

Jüngling (steht auf und tritt vor): Ich bin zu Ihren Diensten.

Direktor (nachdem er ihn lange stillschweigend gemessen): Nun, das Wachstum ist nicht übel, da lasst sich was reden. Was spielt der Herr?

Jüngling: Feste Liebhaber.

Direktor: Wo waren wir denn zuletzt engagiert?

Jüngling: Zu Bruck an der Leitha.

Direktor: Schlechte Wirtschaft dort! Bei mir geht's genauer zu. Wie lange ist der Herr schon beim Theater?

Jüngling: Drei Jahre.

Direktor: Wer waren wir denn früher?

Jüngling: Buchdrucker.

Direktor: Hat der Herr einen schwarzen Frack?

Jüngling: Ja, einen schwarzen, diesen blauen und auch einen Überrock.

Direktor: Das lässt sich hören. Kann der Herr die sieben Aktionen des Königs?

Jüngling: Ich verstehe Sie nicht.

Direktor: Man wird mich gleich verstehen. Zeig' mir der Herr, wie wird er gehen, wenn er einen König spielt?

Jüngling: (schreitet pathetisch auf und nieder).

Direktor: Nicht übel! Wie grüsst der König?

Jüngling: (nickt herablassend mit dem Kopfe).

Direktor: Bravo! Ich sehe, das geht schon.

Jüngling: Wo spielen Sie denn jetzt, Herr Direktor?

Direktor: In Wilhelmsburg, es ist recht schön dort und hat viele Kunstkenner; der Herr ist engagiert, die Hand darauf! Heute abends um sechs Uhr komme der Herr zum Blauen Bock zu Mariahilf, da fahren wir miteinander mit einem Kälberwagen nach St. Pölten und von dort gehen wir zu Fuss nach Wilhelmsburg.

Jüngling: Ich möchte Sie noch um einen kleinen Vorschuss bitten.

Direktor: Da hat der Herr einen Gulden, und Sie, Herr Wirt, geben Sie dem Mann noch eine Halbe Bier, ein Brot und ein Rostbratl.

 

So stand es in Wien mit der Schauspielerkunst. (Ignaz Franz Castelli) Und in Paris zuweilen nicht anders. (Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt)

Aufgeführt ... 

... wie zur Zeit ...

... der Dampfeisenbahn. 

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