Aufstellung zum Schlussapplaus. © Klara Beck.

 

 

Les Fantasticks. Tom Jones/Harvey Schmidt.

Musikalische Komödie.

Myriam Marzouki. Opéra national du Rhin, Strassburg.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 25. März 2024.

 

> Im Unternehmen "fliegende Oper" (Opéra Volant) schickt die Strassburger Oper acht Schauspiel- und Gesangsstudenten drei Monate lang durch die Région Grand Est. Sie gastieren in einem Aussenquartier von Strassburg (Théâtre de Hautepierre), in Colmar, Mülhausen, Sarre-Union, Sainte-Marie-aux-Mines und Vogelgrun. Mit "Les Fantasticks" findet ein Off-Broadway-Erfolg den Weg ins Elsass, der sich nach der Uraufführung 1960 im Greenwich Village New York 42 Jahre lang auf dem Spielplan hielt. Die "New York Times" schätzte die Gesamtzahl der Produktionen 2010 auf 11'000 Inszenierungen weltweit. <

 

Myriam Marzouki inszeniert "Les Fantasticks" als Familienstück (un spectacle pour toute la famille). Und wie gewünscht strömen die Familien zur Sonntagnachmittagsvorstellung ins trostlose Shoppinggelände von Hautepierre ausserhalb von Strassburg mit seiner unambitiösen, funktionalen Kisten­architektur. Die Hälfte der Besucher ist im Vorschulalter. Die Kleinen sitzen brav und halten sich ruhig, obwohl die Geschichte an ihnen vorbeigeht. Sie erzählt von der aufkeimenden Liebe zweier Nachbarskinder, 15 und 16 Jahre alt. Für die Zuschauer im Vorschulalter ist das zum Gähnen. Bald lehnen sie ihre Köpfchen an die Schultern von Eltern und Grosseltern und versuchen zu dösen. So bleibt es still im Karton.

 

Auf dem Nebensitz schüttelt ein Professor aus Basel, selber mehrfacher Grossvater, indigniert den Kopf. Er findet die Handlung "biirewaich". Für ihn ist sie ein trauriges Abbild der US-amerikanischen Spiessermentalität. Noch beim Hinaus­gehen spottet er über die Auffassung, man müsse sich die Phantasien aus dem Kopf schlagen und lernen, sich mit seinem Platz im Leben zu bescheiden. "Zu so einem 'Saich' sind die Amis ein halbes Jahrhundert hingeströmt!" Für den Basler Intellektuellen ist Beschränktheit ein Sujet für die Fasnacht.

 

Und der Kritiker? Er hat sich gelangweilt und mehr als die Hälfte nicht verstanden. Gleich wie seine Freunde, die Vorschulkinder, kapierte er den Kontext der Handlung nicht; er begriff nicht, was früher war, was später; was sich hier ereignete, was dort; wann die Geschichte wo spielte und was die Personen für einen Charakter hatten. Er führte die Unlesbarkeit der Aufführung auf Schwäche der Regie sowie Spiel- und Artikulationsmängel der jungen Darsteller zurück. Insgesamt sah er sich in der Auffassung bestätigt, Spartentheater zu meiden. Hätte die Strassburger Oper die Natur des Anlasses ("empfohlen ab acht Jahren, Schulversion eine Stunde ohne Pause") auf ihrem Spielplan kommuniziert, hätte sie sich und der "Stimme der Kritik" einen Verriss samt Spesen erspart.

Nette Bilder. 

Fürs Auge. 

 
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