Bis nächsten Freitag. Peter Turrini.
Schauspiel.
Alexander Kubelka. Theater in der Josefstadt, Wien
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 20. März 2024.
> Dichtung, statuierte der viktorianische Lyriker und Literaturprofessor Matthew Arnold, sei entweder Darstellung oder Kritik des Lebens. Bei Peter Turrini, dem österreichischen Dramatiker, ist sie beides. Dadurch bekommt "Bis nächsten Freitag", sein neuestes Stück, eine schwarze Färbung. Zwei Mittsechziger treffen sich im Wirtshaus, und bald schon merkt man: "Ils sont au bout du rouleau." (Sie haben ihr Ende erreicht.) <
"Bis nächsten Freitag" bringt zwei Unglückliche zusammen. Sie haben eine durchschnittliche Akademikerkarriere hinter sich. Jetzt ist ihr Leben zerronnen, und sie stehen vor dem Nichts. Die Studentenzeit begannen sie als Mitläufer der revolutionären marxistischen Bewegung. Dann blieb der eine in der Uni stecken; er doktorierte; er habilitierte; und er fand einen festen Posten als Dozent am Institut für Romanistik. Jetzt steht er vor der Pensionierung. Er hat es nicht ganz nach oben gebracht. Auf naive, direkte Weise bringt es die Kellnerin mit ihrer Frage auf den Punkt: "Was ist höher: Dozent oder Professor?" Darauf muss der Angesprochene antworten: "Professor."
Soeben hat eine Untersuchung gezeigt, dass sein Prostatakrebs zahlreiche Metastasen gestreut hat. In der Woche vom ersten zum zweiten Freitag nimmt er die Chemotherapie auf. Jetzt trägt er zur Tarnung eine schwarze Wollmütze. – Auch sein Internatskollege aus Jugendtagen steht am Ende. Er flüchtete vor den Schwierigkeiten des Lebens in die Bücher. Doch sie bringen ihm heute keinen Trost mehr: "Nur noch Buchstaben." Seine Buchhandlung steht vor dem Konkurs. Die Leute bestellen die Bücher übers Internet. Und soeben ist die Freundin, wie ihre Vorgängerinnen, abgesprungen. Mit der Diagnose "bipolar" ist der Mittsechziger von Depression bedroht: "Ich kann nicht allein leben."
Unsentimental blättert Peter Turrini das Endspiel heutiger Durchschnittlichkeit auf. In zwanzig Jahren wird man es nicht mehr ohne Erklärungen spielen und ohne Fussnoten drucken können; zu stark, beziehungsweise zu genau, ist es mit unserer Gegenwart verflochten. Der Dozent, ein frustrierter Coronaleugner, spricht vom Fledermaushändler in Wuhan und von der "Plandemie". Er spricht vom Sturm aufs Capitol und davon, dass Shakespeare bald der Wokeness zum Opfer fallen werde.
Während die Szene von den traurigen Hüllen des akademischen Durchschnitts beansprucht wird, gleiten vier unerkannte Wesen an ihnen vorbei: eine resche tschechische Kellnerin und ihr taubstummer Bruder sowie ein Paar von Zwergen (so nennen sie sich selber), die im Wirtshaus ihr Hochzeitsmahl nehmen und die beiden Männer vergeblich zur Feier einladen.
Die Unfähigkeit, mit Menschen Kontakt aufzunehmen, die scheinbar kleiner sind als die Herren Akademiker, zeigt, wer in Wirklichkeit behindert ist. Weil Peter Turrinis Kritik an ihnen so genau ist, hat das Spiel der Hauptdarsteller Herbert Föttinger (der Dozent) und Erwin Steinhauer (der Buchhändler) Kraft und Faszination.
Alexander Kubelka, zugleich Regisseur und Bühnenbildner, bringt das Stück subtil auf den Grat zwischen Traum und Poesie, Alltäglichkeit und Verzweiflung. Am Schluss fällt es unspektakulär ins Nichts. Dieses Ende – bei allem Unbefriedigenden, das es mangels Abrundung an sich hat – entspricht wohl am angemessensten der akademischen Durchschnittlichkeit, die uns umgibt und zu der viele auch gehören.
Wie die Figuren zeigen ...
... geht alles ...
... den Bach runter.