Wozzeck. Alban Berg / Peter Grimes. Benjamin Britten. / L'Histoire du soldat. Igor Strawinsky.
Opern.
Hans Neugebauer, Achim Freyer, Stadttheater St. Gallen / François Rochaix, Stadttheater Bern / Patrice Caurier und Moshe Leiser, Opéra de Lausanne.
Radio DRS-2, Reflexe, 29. Oktober 1988.
Natürlich isch es Zuefall, dass die drei Opere grad jetz uf e Spielplan cho sy. Es wär mir schüsch ou nie i Sinn cho, sie mitenand i Behiehig z bringe. Sie stöh so zuefällig i drüne Theater uf em Spielplan wie i üsem Lädeli d Mutschgetnuss, ds Ruchmähl u d Bébénahrig. Ir Substanz hei Mutschgetnuss, Ruchmähl u Bébénahrig nüt Gmeinsams, so weni wie der "Wozzeck", der "Peter Grimes" u "L'Histoire du soldat". Verglyche cha me sie nume umter eme formale Gsichtspunkt: Me cha frage, wie ds Theater überhaupt a d Opere häregeit. Was me cha merke, wenn me der "Wozzeck" vo St. Gallen, der "Peter Grimes" vo Bern u "L'Histoire du soldat" vo Lausanne näbenand stellt.
(Musik)
"Wozzeck" z St. Gallen, "Peter Grimes" z Bern u "L'Histoire du soldat" z Lausanne, das sy drei grundverschiednigi Opere i dreine grundverschiednige Realisatione. Bim "Peter Grimes" z Bern finde mir ds grade, ehrliche Regiehandwerk, u bir "L'Histoire du soldat" z Lausanne der spielerisch-assoziativ Theaterzauber. "Wozzeck" aber, das isch die kongeniali Neuschöpfig.
Wenn e Regisseur handwerklich suber schaffet, wie der François Rochaix z Bern, de chunnt e Produktion use, wo zwar klar isch, nech aber nie überrascht. Dihr findet drinne meh oder weniger das, wo ds Libretto u d Musik verlange.
Bim "Peter Grimes" isch das der Strand, d Hafemur, ds Fischerboot. Mir gseh, wo mir sy, u mir begryfe gäng, wo d Handlig steit; es isch nüt da, won üs ablenkt. Am Schluss vor Opere wüsse mir, wie's isch usecho, mir hei ds Ganze erfasst. Handwerklichi Regie, wie sie der François Rochaix betrybt, handlet nach em Appliaktionsprinzip. Sie setzt d Vorschrifte, wo ir Partitur stöh, uf d Bühni um, und die traditionelle Theatergsetz bestimme d Detail vor Personen- und Liechtfüehrig. E Produktion wie der "Peter Grimes" begryft me drum scho bim erste Mal. Me brucht sie nid es zwöits Mal ga z luege, will me ds zwöite Mal nüt meh cha entdecke. Dermit aber liegt d Frag nach, für was me de überhaupt i ds Theater söll. Das, wo me dert cha gseh, geit eim scho uf, wenn me deheime d Platte lost oder d Partitur aluegt.
(Musik)
Anders als bim handwerklichen Inszeniere chunnt es Werk derhär, wenn me's spielerisch-assoziativ ageit, wie das z Lausanne isch passiert, bir "L'Histoire du soldat" unter der Regie vom Patrice Caurier und em Moshe Leiser.
(Musik)
Zu dere Musik vom Igor Strawinsky hei die beide Regisseure z Lausanne afe träume, und us dene Träum use isch ihri spielerisch-assoziativi Inszenierig gwachse. Sie zeigt Yfäll, wo niene stöh, wo aber ds eifache Gschichtli vom Soldat i poetisch-surreali Wälte füehre.
Plötzlich wird e Wirtshuustisch mit eme wysse Tischtuech zum Schneefeld, und es faht vo obe här afe schneyele. Oder es geit der Boden uf, u der Tüfel gheit i d Höll. Wie im Traum also verwandle sich d Sache i dere spielerisch-assoziative Inszenierig, und en Überblick isch nümm müglich. Ds spielerisch-assoziative Theater bietet also meh als nume d Umsetzig vor Partitur uf d Bühni. Es tuet nid usfüehre, was vorgäh isch, sondern es formuliert en eigeständigi Antwort uf ds Wärk. Bi deren Inszenierigswys gseht's drum ou nümm so us, wie wenn d Uffüehrig vo de Gegeäbeheite vo Wärk und Partitur bestimmt wurd. Sondern jetz entsteit umgekehrt der Ydruck, zersch sygi d Bühni, und us ihrer Magie und ihrem Kraftfeld use wachsi de d Opere mit der Musik u de Wort: Primo la scena, doppo la musica. Ds Theater het jetz d Füehrig. Äs isch's, won üs vo eire Überraschig zur andere rysst.
D Gränze vo dere spielerisch-assoziative Inszenierigsform chunnt de aber füre, wenn me d Uffüehrig es zwöits Mal geit ga luege. Bim 2. Mal falle d Überraschige weg. Und will der Asatz surreal isch, git's ou nid meh z verstah als bim 1. Mal. So konzentriert me sich de uf d Virtuosität vo de Spieler, u dadermit wird d Theatervorstellig zum artistische Kunststückli.
(Musik)
"Wozzeck" z St. Gallen. Wiederufnahm von ere dütschen Inszenierig vom Hans Neugebauer, im ene Bühnebild vom Achim Freyer. E Produktion, wo irritiert. E Drittel vom Publikum lauft während der Vorstellig us em Saal. Me chunnt nid druus. Me chunnt nid druus, will me so öppis no nie het gseh. "Wozzeck" vom Hans Neugebauer und em Achim Freyer, das isch meh als handwerklichi Regie und ou meh als spielerisch-assoziativs Theater, das isch die kongeniali Neuschöpfig. U dass me sie nid versteit, das liegt nid ar Inszenierig, sondern a üs. Mir sy üs eifach nid gwahnet, im Theater z luege u bim Luege z dänke.
Derby gseh mir uf der Bühni denkbar eifachi Element; mir gseh der Himmel u mir gseh d Ärde. Schüsch nüt. Die lääri Unendlichkeit, bis a Horizont. Links u rechts hei mir e Wand. Die beide Wänd schirmen üs ab vor Wyti. Der Mönsch vertreit nämlich d Lääri nid. Är drückt sich hilflos a d Wand, won är gäge d Lääri ufgrichtet het, a d Wand vor Moral, a d Wand vor Religion, a d Wand vo den Überzügige. Dadra halte sich d Figure bim "Wozzeck". U sie sy dermit so ängstlich wie die Chüngeli, wo im 2. Bild umehopple und im Schatte vo de Wänd anenandhuure. D Bedütig vo dene Chünglen isch, dass sie d Handlig spiegle. D Tier löhn üs mit ihrem natürliche Verhalte verstah, wie denaturiert d Mönsche im "Wozzeck" sy. D Mönsche nämlich rücke nid zäme u gäh sich nid Schutz u Wärmi wie d Tier, sonder sie wärke sich z leid u stossen enand us, u der usgstossnigst vo allne heisst Wozzeck.
E Produktion, won eso ne präzisi Sprach fingt wie der Hans Neugebauer u der Achim Freyer, glycht ere Neuschöpfig vom Werk. Musik, Wort u Bühni verschmelze zun ere Einheit: Alli Zeiche, die akustische, die mimische, die gestische, die szenische, sy glychberächtiget inenand verwobe. Das Kunstganze, wo derby entsteit, zwingt üs zum Häreluege, zum Düte u zum Wyterdänke. Im Unterschied zum "Peter Grimes" z Bern u zur "Histoire du soldat" z Lausanne sy mir als Zueschauer z St. Gallen voll gforderet. Ja, mir sy direkt druf agwiese, die Neuschöpfig es 2. und es 3. Mal ga z luege, für z verstah, wie alles zämehanget. Sie ghört also zun ere Art Theater, won üs wyterbringt, mit jedem Mal, wo mir's gseh.