Highsmith: Mord und Liebe. © Joel Schweizer.

 

 

Switzerland. Joanna Murray-Smith.

Schauspiel.

Theater Orchester Biel Solothurn.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 27. Oktober 2023.

 

> Also ehrlich, wenn Sie mich fragen: Ich kann Ihnen auch nicht helfen. Ich komme aus dem Theater und weiss nicht, was ich von Stück und Aufführung halten soll. Die Sache ging an mir vorbei. Der Dialog war zäh, die Auseinandersetzung uninteressant. Ein jüngerer Mann, angeblich Vertreter eines New Yorker Verlags, versuchte die alte Patricia Highsmith zu einem letzten, krönenden Ripley-Roman zu überreden. Das dauerte fünf Viertelstunden. Dann führte das Zweipersonenstück zu einem Dreh, der derart geschraubt ausfiel, dass ihn sogar der Starkritiker aus Bümpliz nicht verstand. Beim Verlassen des Theaters hörte ich ihn zur Begleiterin sagen: "Perlen vor die Säue. Es war sicher toll; nur fehlen mir die Antennen dafür." Und jetzt ich! Was erwarten Sie von mir? Ich bin doch kein Aufschneider! <

 

"Switzerland" erfüllt die Spielplanposition "billiger Erfolg". Das Stück verlangt nur zwei Schauspieler. Es kommt mit einem Einheitsbühnenbild aus. Und weil es keine Ansprüche stellt, ist es mehrheitsfähig. Es führt das Publikum in die Wohnung der alternden, versoffenen, rauchenden Bestsellerautorin Patricia Highsmith in Tegna (Ticino, Switzerland). Die Rolle ist für einen Star geschrieben. Mit ihm hat die Produktion Zugkraft.

 

In Biel/Solothurn wird Patricia Highsmith von Barbara Grimm gespielt. Bis zu ihrer Pensionierung gehörte sie zum Ensemble. 2011 erhielt sie den Auszeichnungspreis für Schauspiel des Kantons Solothurn. Die Rolle ist einfach. Als Haltung verlangt sie bloss Verschrobenheit und störrische Unbeweglichkeit; im Ausdruck abwehrendes Ausbreiten der Arme und den energischen Ruf: "Fort! Gehen Sie!" Das ist schon alles. Ein Kinderspiel für eine Diva – entsprechend der Spielplanposition "billiger Erfolg".

 

Im Stück wird Patricia Highsmith von einem Eindringling heimgesucht. Er sagt, er komme im Auftrag ihres New Yorker Verlags. Die Autorin soll einen letzten, krönenden Ripley-Roman schreiben. Die Rolle ist mit einem jüngeren Mann zu besetzen. Damit kann sich das Zuschauerauge am erotischen Gefälle delektieren, das sich zwischen dem erratischen Star und dem hübschen Nobody etabliert.

 

Matthias Schoch spielt den Verlagsangestellten. Er tanzt exzellent. Die 69-jährige Barbara Grimm steht ihm nicht viel nach. Die kurze Einlage, in der die beiden zu Broadwayklängen Virtuosität entwickeln, bildet den Höhepunkt der Aufführung. Dann wird wieder gesprochen. Es geht fünf Viertelstunden lang ums selbe: "Unterschreiben Sie den Vertrag!"

 

Den einfachen Konflikt kann jedes Kind begreifen, entsprechend der Spielplanposition "billiger Erfolg". Nicht klar jedoch wird, warum sich die Highsmith sperrt, ihre Unterschrift in den Vertrag zu setzen. Von Geld ist nie die Rede. Also kann es ihr nicht darum gehen, den Preis in die Höhe zu treiben. Ist sie ausgeschrieben? Fühlt sie sich am Ende? Wir wissen es nicht. Sie sagt lediglich: "Ich behalte meine Gründe für mich."

 

Im übrigen aber wird die Promineugier von "Switzerland" grosszügig bedient. Das Stück zeigt (Markenzeichen des Boulevard- bzw. Broadwaytheaters), dass es die berühmten Leute nicht besser haben als die gewöhnlichen. Damit versöhnt "Switzerland" die Zuschauer mit ihrem Leben am Jurasüdfuss, und für das Theater gewährleistet es einen billigen Erfolg. 

In den Alltag ... 

... kommt ein gewisses ... 

... erotisches Gefälle. 

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